Am Montag startete eine Falcon-9-Rakete von Kalifornien aus ins All. An Bord der deutsche Forschungssatellit Eu:Cropis, der über 70 verschiedene Flugkörper in den Weltraum transportieren soll. Der Satellit verfügt über ein in sich geschlossenes Ökosystem, in dem mit der Hilfe von Mikroorganismen, Lavagestein und Algen im kommenden Jahr Tomatenpflanzen wachsen sollen.
Zwölf Samenkörner der Tomatensorte „Mikro Tina“ sollen im kommenden Jahr in 600 Kilometern Höhe unter LED-Licht aufkeimen, wachsen, um am Ende hoffentlich Früchte tragen. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln arbeitet man seit geraumer Zeit an der Aufzucht von Tomaten im Weltall. Die ausgewählte Sorte „Mikro Tina“ könnte bei einem erfolgreichen Ernteertrag in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Astronauten leisten. Die Tomaten sind relativ klein, ihre Schale ist dicker und der Geschmack ein wenig säuerlicher, als handelsübliche Sorten auf der Erde. „Ansonsten schmecken sie aber schon nach Tomate“, erklärt Jens Hauslage, Biologe am DLR in Köln. Gemeinsam mit seinen Kollegen erforscht er, wie man Astronauten zukünftig während langer Reisen, beispielsweise zum Mond oder zum Mars, ernähren kann. Denn jedes Kilo Gepäck, das transportiert wird, kostet bei einem Weltraumflug Zehntausende von Dollar und ist vom Platz nur schwierig umsetzbar.
Frische Tomaten für die Psyche
Die Idee vom Gewächshaus im Weltall gibt es schon länger. Eine Selbstversorgung während längerer Missionen würde die Transportkosten verringern. Ein netter Nebeneffekt ist, dass die Frischwaren vermutlich auch besser schmecken, als die üblichen Fertigmahlzeiten. Das hat Einfluss auf die Psyche der Astronauten, ein wichtiger Faktor bei langen Aufenthalten im All. Deshalb testet man am DLR die Aufzucht seit einiger Zeit in der Praxis. Allerdings an der deutschen Forschungsstation Neumayer III, die in der Antarktis liegt, und nicht im All. Dort freut sich die Besatzung des Forschungsprjekts Eden ISS jede Woche über mehrere Kilogramm Frischware. Das Gemüse und Obst wächst in einem speziellen Gewächshaus ohne Erde und unter Kunstlicht auf.
Mikroben als Weltraumgärtner
Die erhoffte Ernte auf EU:Cropis wird allerdings nie jemand essen. Denn bei der Reise geht es nicht um Geschmacksfragen, sondern, wie Pflanzen ohne Schwerkraft und ohne menschlichen Gärtner wachsen können. Experimente, in denen Pflanzen im All wachsen wurden sind nicht neu. Bei sehr vielen Versuchen gab es jedoch Probleme mit Staunässe und die Astronauten mussten als Weltraumgärtner eingreifen. Die Arbeit der Gärtner soll in dem Versuch auf EU:Cropis von Mikroorganismen übernommen werden. Mit simuliertem Urin wird getestet, ob durch Verdunstung eine mehrfache Bewässerung möglich ist. Außerdem enthält Urin Harnstoff, der zu Ammoniak zerfällt. Den sollen Mikroben erst in Nitrit und dann den Pflanzendünger Nitrat umwandeln. Diese Art Biofilter ahmt in einem geschlossenen Kreislauf die Bedingungen auf der Erde nach. Um anfangs genug Sauerstoff zu haben und falls der Filter einmal ausfällt, sollen die Grünalgen durch ihre Sauerstoffproduktion überschüssiges Ammoniak regulieren.
Vorgegaukelte Schwerkraft
Die Tomaten an Bord von EU:Cropis sollen trotz ihrem Aufenthalt im Weltraum nicht ganz ohne Schwerkraft aufwachsen, denn Schwerelosigkeit behindert das Wachstum. Pflanzen brauchen nur ein Zehntel der Erdschwerkraft, um zu wissen, wohin sie sich orientieren müssen. Um ihnen so das Wachstum zu erleichtern, setzen die Forscher eine Kraft ein, die jeder kennt, der schon einmal auf einem Kettenkarussell mit Macht in seinen Sitz gepresst wurde. Durch Rotation um die eigene Achse können so die Gravitationsbedingungen des Mondes und des Mars simuliert werden. Der Satellit nutzt dafür das Magnetfeld der Erde, von dem er sich durch eine elektrische Spule abstößt. Bei einem Erfolg könnte die Pflanzenzucht im Weltraum einen Schritt vorangekommen sein, auch wenn das aktuell bedeutet, dass man immer noch 100 Quadratmeter Anbaufläche benötigt, um einen Astronauten ernähren zu können.