Auch Pflanzen sind von Krankheiten durch Bakterien und Viren bedroht. Wie sie genau krank werden, erforscht eine Gruppe Molekularbiologen in Halle seit Langem. Nun gelang es ihnen anhand von Paprika- und Tomatenpflanzen nachzuweisen, wie krankheitserregende Bakterien eindringen und die Abwehr schwächen. Das könnte vor allem für die Lebensmittelindustrie von Interesse sein.
Proteine schwächen die Abwehr von Pflanzen
Pflanzengenetikerin Ulla Bonas und ihre Kollegen aus Halle beschäftigen sich mit dem Wechselspiel zwischen Pflanzen und schädlichen Bakterien. In der Untersuchung wurden die Auswirkungen von Xanthomonas–Bakterien auf Paprika- und Tomatenpflanzen erforscht. Die Nutzpflanzen sind nur noch schwer zu heilen, wenn sie einmal befallen sind, Ernteverluste kaum zu vermeiden. Jetzt entdeckten die Wissenschaftler, wie genau die Bakterien die Pflanzen angreifen. Aus früheren Untersuchungen war bereits hervorgegangen, dass Krankheitsbakterien schädliche Proteine, wie mit einer molekularen Spritze in die Pflanzenzellen einschleusen. Ulla Bonas von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erklärt: „Dieser Proteincocktail schwächt die Abwehr der Pflanze und erlaubt es den Bakterien, sich ungehindert in den Pflanzen zu vermehren. Die Pflanzen altern schneller, werfen ihre Blätter ab und produzieren weniger Früchte“. Wie genau die Zellen der Pflanzen geschädigt werden, konnte bisher nicht gezeigt werden. Um das zu ändern, nahmen die Molekularbiologen das schädigende Protein XopH in den Blick.
Abwehrschwach durch Zellzerstörung
Zwar ist XopH ist nur eines von mehr als 35 Proteinen, die die Bakterien in die Pflanzen in die Pflanzen einschleusen, um sie zu besiedeln, aber durch die Untersuchung wurde die Grundlagenforschung in dem Bereich entscheidend vorangetrieben. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“. Darin erklären sie, dass das Eiweiß gezielt den Hauptphosphorspeicher einer Pflanzenzelle angreift. „Wenn XopH diesen Speicher zersetzt, nimmt es der Pflanze wahrscheinlich nicht nur die Nährstoffe weg, es bereitet diese gleichzeitig für die schädlichen Bakterien auf“, schließt die Pflanzengenetikerin daraus. Die Vermutung der Arbeitsgruppe ist, dass das schädigende Protein damit die Abwehrkräfte der Tomaten- und Paprikapflanzen schwächt. Das verlangsamte Wachstum deutet außerdem darauf hin, dass durch den Angriff der Hormonhaushalt stark verändert wird. Die Pflanzen selbst erkennen scheinbar den Befall durch Xanthomonas -Bakterien und reagieren entsprechend darauf. „Wie das genau passiert, ist noch nicht geklärt. Die Folge ist aber immer die gleiche. Das mit den Pathogenen befallene Gewebe stirbt ab, um den infizierten Bereich abzuriegeln und so die weitere Verbreitung der Bakterien in der Pflanze einzudämmen“ erklärt die Wissenschaftlerin.
Bakterien manipulieren, um sie unschädlich zu machen
Die Untersuchung war eine Zusammenarbeit der Universität Halle-Wittenberg, der Universität Bonn, der Universität Freiburg und dem Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB). Auch am Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen wird zum Bakterienbefall von Pflanzen geforscht. Im Fokus von Forscherin Meina Neumann-Schaal und ihrer Arbeitsgruppe steht die Bedeutung der verschiedenen Stoffwechselabläufe. „Wenn wir die Prozesse in Bakterienzellen besser verstehen, können wir sie auch beeinflussen“, erläutert Neumann-Schaal. Sie arbeitet an einem Verfahren, mit dem man ein Bakterium so manipulieren kann, dass es bestimmte schädliche Proteine gar nicht mehr produziert. Aus dieser Methodik könnten Präventivmaßnahmen wie Herbizide oder Therapieansätze zur Behandlung entwickelt werden. „Meine Methodik lässt sich auf fast alle hier kultivierten Organismen anwenden. Da ist das Potenzial, beispielsweise für die Entdeckung neuer bakterieller Stoffwechselprodukte und deren Nutzung im medizinischen oder biotechnologischen Umfeld fast unerschöpflich“, betont die Forscherin.