Grünes Ammoniak könnte die Schifffahrtsindustrie revolutionieren, so lautet das Urteil einer neuen Studie aus England. So habe der Kraftstoff das Potenzial, über 60 % des weltweiten Schiffsverkehrs zu dekarbonisieren, wenn er auf nur 10 regionalen Treibstoffhäfen angeboten werden würde. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Environmental Research veröffentlicht.
Grünes Ammoniak für Dieselschiffe geeignet
Studienleiter René Bañares-Alcántara, Professor für Chemieingenieurwesen an der University of Oxford, entwickelte für seine Analyse einen Modellierungsrahmen, um realisierbare Szenarien für die Einrichtung einer globalen Versorgungskette mit grünem Ammoniakbrennstoff zu schaffen. Dieser Rahmen kombiniert ein Kraftstoffnachfragemodell, zukünftige Handelsszenarien und ein räumliches Optimierungsmodell für die Produktion, Lagerung und den Transport von grünem Ammoniak. „Die Schifffahrt ist einer der schwierigsten Sektoren für die Dekarbonisierung, da sie Treibstoff mit hoher Energiedichte benötigt und es schwierig ist, verschiedene Gruppen zu koordinieren, um alternative (grüne) Treibstoffe zu produzieren, zu nutzen und zu finanzieren“, so der Forscher.
Grünes Ammoniak, das durch Elektrolyse von Wasser mit erneuerbarem Strom hergestellt wird, sei vor allem deswegen geeignet, da dieses für die Abgasreinigungsanlagen für Dieselschiffe verwendet werden könne. Bislang war allerdings unklar, inwiefern eine Umstrukturierung machbar sei, die die notwendige Infrastruktur für eine effiziente, lebensfähige Kraftstofflieferkette schaffen könnte.
2 Billionen US-Dollar an Investitionen
Die Oxford-Studie schätzt, dass bis 2050 rund 2 Billionen US-Dollar benötigt werden, um auf eine Versorgungskette mit grünem Ammoniakbrennstoff umzusteigen, hauptsächlich zur Finanzierung der Versorgungsinfrastruktur. Der größte Investitionsbedarf wird in Australien, Chile, Kalifornien, Nordwestafrika und der südlichen Arabischen Halbinsel prognostiziert, um hier die Nachfrage nach grünem Ammoniak zu decken. Entsprechend wichtig sei eine gezielte Regionalisierung der Branche. Der Kraftstoff könne in Ländern in der Nähe des Äquators mit reichlich Land und hohem Solarpotenzial produziert und dann zu regionalen Zentren der Nachfrage nach Schiffs-Treibstoff transportiert werden. Dieser Wandel könne die derzeitige Abhängigkeit von ölproduzierenden Nationen durch eine stärker lokalisierte Industrie ersetzen.
90 % des Welthandels mit physischen Gütern werden mit Schiffen transportiert, die Schweröl verbrennen und giftige Schadstoffe ausstoßen. Sie sind somit für fast 3 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Notwendig ist ein Neustart der Branche also allemal. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) hat sich verpflichtet, die internationale Schifffahrt zu dekarbonisieren, mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2050 zu halbieren, wobei die jüngsten Ziele auf Null-Emissionen bis 2050 überarbeitet wurden.
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