Den Begriff der Stille beschreiben Experten als „Abwesenheit von Geräuschen“. Doch eine Gruppe von Wissenschaftlern der University of California möchte sich damit nicht so einfach zufriedengeben. Die Biologen Rui Zhe Goh und Lan Phillips konnten in Versuchen nun zeigen, dass man Stille sogar „hören“ kann. Ihre Ergebnisse teilten sie im Wissenschaftsportal PNAS.
Aktive oder passive Stille
Der Hörsinn geht auf bestimmte Sensoren im menschlichen Ohr zurück, die Schwingungen, Schalle und Signale wahrnehmen und sie dem Gehirn übermitteln können. Bisher ist man davon ausgegangen, dass diese Sensoren bei Stille stillstehen, da das Ohr keine Geräusche aktiv aufnimmt. Doch ist das wirklich so?
In ihrer Studie schreiben die Forscher: „Hören wir nur Geräusche? Oder können wir auch Stille hören? Diese Fragen sind Gegenstand einer jahrhundertealten philosophischen Debatte zwischen zwei Lagern: der Wahrnehmungsansicht (wir hören buchstäblich Schweigen) und der kognitiven Sichtweise (wir beurteilen oder leiten nur Stille). Hier verfolgen wir einen empirischen Ansatz, um diese theoretische Kontroverse zu lösen. Wir zeigen, dass Stille Geräusche in ereignisbasierten auditiven Illusionen ‚ersetzen‘ können.“
Test beweisen Menschen können Stille aktiv wahrnehmen
Für ihre Untersuchungen planten die Experten einige akustische Experimente. Dafür ließen sie 1.000 Testpersonen sieben Tests durchführen. Jeder der Probanden hörte drei verschiedene Töne mit verschiedener Länge. Ein Ton war durch zwei stille Sequenzen unterbrochen. Ein weiterer durch vier.
Außerdem veränderten sie einige Töne und fügten Störsignale ein. Im Anschluss sollten die Testpersonen angeben, welchen Ton sie am längsten gehört hatten.
Zunächst gingen die Wissenschaftler davon aus, dass alle Töne als gleichlang „hörbar“ eingestuft werden und die Probanden den schnellen Wechsel der Tonarten nicht bemerken würden: „Sieben Experimente führten drei Silence Illusionen ein, die von Wahrnehmungsillusionen adaptiert wurden, von denen zuvor angenommen wurde, dass sie nur mit Klängen entstehen.“
Doch es zeigte sich ein anderes Ergebnis. Die Mehrheit der Testpersonen schaffte es, auch die stille Sequenz zu hören. Sie konnten angeben, in welchem Ton sich die Unterbrechungen befanden. Aufgrund dieser Ergebnisse gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Sensoren im menschlichen Ohr dauerhaft aktiv sind und auch während Stille arbeiten. Goh erläutert: „Unsere Resultate sprechen dafür, dass die Testpersonen nicht einfach nur die Dauer stiller Intervalle registrierten, sondern dass ihr Gehirn reizähnliche Repräsentationen der Stille konstruierte.“
Dabei würden dieselben Prozesse im Ohr und im Gehirn sowohl bei Lärm als auch bei absoluter Stille stattfinden.