Gerade hat die Welt-Gesundheitsorganisation WHO wegen des Ausbruch einer neuartigen Coronavirus-Epidemie in Zentralchina den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Es gibt in China inzwischen etwa 10.000 Infizierte und über 200 Todesopfer. Schon daraus geht hervor, dass das neue Virus 2019-nCoV weniger gefährlich ist als „normale“ Influenza-Viren. Muss man daran erinnern, dass der Grippewelle 2017-18 allein in Deutschland über 25.000 Menschen zum Opfer gefallen sind? Ganz zu schweigen von der „Spanischen Grippe“ unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, die sich mit bis zu (geschätzten) 50 Millionen Toten weltweit als deutlich tödlicher erwies als der Krieg. Ich habe selbst als Redakteur in der im Jahre 2000 von den Bundesministerien für Gesundheit und für Umwelt eingesetzten ad hoc-Kommission „Neuordnung der Verfahren und Strukturen zur Risikobewertung und Standardsetzung im gesundheitlichen Umweltschutz der Bundesrepublik Deutschland“, kurz Risikokommission, mitgearbeitet und weiß von daher, dass sich die Menschen meistens mehr über Nebensächlichkeiten aufregen als über die objektiv größten Gefahren und Risiken. In ihrem im Jahre 2003 vorgelegten Abschlussbericht forderte diese Kommission eine klare Trennung zwischen der Risikoabschätzung und dem Risikomanagement sowie besondere Kommunikationsanstrengungen mit dem Ziel, die „Risiko-Mündigkeit“ der Bevölkerung zu erhöhen.
Im Nachhinein kann man sagen, dass die Arbeit dieser Kommission und der darauf folgenden Veranstaltungen wenig genützt haben. So weist der Risikoforscher Prof. Ortwin Renn, der die oben erwähnte Kommission leitete, aktuell darauf hin: „…die normale Grippe ist, was das Ausmaß von Gesundheitsschäden anbetrifft, höchstwahrscheinlich schlimmer als das Coronavirus. Aber Gefahren, an die man sich gewöhnt hat, verlieren ihren Schrecken. Außerdem wissen die Menschen: Die normale Grippe geht meistens gut aus…“ Bei uns in Deutschland blieb es bislang bei fünf beim bayerischen Automobil-Zulieferer Webasto diagnostizierten 2019-nCoV-Fällen (denen es übrigens bislang vergleichsweise gut geht). Diese waren von einer chinesischen Kollegin angesteckt worden, die sich offenbar zu diesem Zeitpunkt noch in der symptomfreien Inkubationsphase befand. Das reichte, um nicht nur im Raum München Panikreaktionen auszulösen. Im Nu waren die von Apotheken angebotenen Atemschutzmasken ausverkauft, obwohl das für die Empfehlung von Vorsorgemaßnahmen zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) nichts dergleichen empfohlen hatte. Ohnehin sind solche Atemschutzmasken nach Ansicht von Experten unsinnig. Empfohlen hatte das RKI lediglich die üblichen Sicherheitsmaßnahmen gegenüber einer winterlichen Grippewelle wie gründliches Händewaschen und Abstand zu anderen Personen halten. In den ersten drei Wochen des neuen Jahres wurden dem RKI 13.350 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle gemeldet. Davon mussten 3.503 Patienten (26 Prozent) in Krankenhäuser eingewiesen werden. Es gab 32 Todesopfer.
Wie angedeutet, gilt die offenbar lange symptomfreie Inkubationszeit des Virus 2019-nCoV von ungefähr 14 Tagen als besonderes Problem. Der Virologe Dr. Martin Stürmer, Leiter des privaten IMD-Labors für medizinische Diagnostik in Frankfurt, bestätigt das. In dieser Zeit können die betroffenen Personen offensichtlich bereits andere anstecken. Das sollte bei den Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt werden. Gleichzeitig scheinen 2019-nCoV-Infektionen aber nur für ältere Personen mit Vorerkrankungen gefährlich zu sein. In China findet sich unter den Todesopfern jedenfalls nur ein einziger 35-jähriger Mann. Alle anderen waren über 60 litten schon vor der Ansteckung unter diversen Gesundheitsproblemen. „Generell würde ich aber nicht in Panik verfallen“, betont Dr. Martin Stürmer. „Meiner Meinung nach schadet es nicht, die gängigen Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen der winterlichen Grippewelle einzuhalten. Das heißt, regelmäßig die Hände waschen, nicht offen in den Raum zu Husten oder Niesen, sondern am besten in die Armbeuge und so weiter. Wenn wir uns alle daran halten, dann können wir vielleicht als Nebeneffekt auch gleich die jährliche Influenza-Welle in Schach halten.“