Eine Verletzung des Rückenmarks geht oftmals mit schweren, dauerhaften Lähmungen einher. Eine komplette Querschnittlähmung oder erhebliche Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit sind so etwa nach einem Unfall möglich, bei dem der Rücken des Patienten in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Durch ein neues Implantat soll es diesen Patienten nun jedoch möglich sein, einen Teil ihrer Bewegungen wieder zurückzuerhalten. Sogar Treppensteigen soll durch diese neue Technologie möglich werden. Die Arbeitsgruppe hinter Grégoire Courtine von der École polytechnique fédérale de Lausanne stellte das Gerät in einem Artikel auf Nature.com vor. Dabei warnen die Forscher jedoch vor zu großen Erwartungen.
Hirnsignale im Funk: Reizweiterleitung über Elektroden
Eine Lähmung entsteht dann, wenn die Reizleitungen von den Beinen zum Gehirn getrennt werden. Diese Leitungen befinden sich im Rückenmark. In ihrer Arbeit erklären die Wissenschaftler und Ärzte, wo sie an diesem Punkt angesetzt haben: „Eine Rückenmarksverletzung unterbricht die Kommunikation zwischen dem Gehirn und der Region des Rückenmarks, die das Gehen ermöglicht, was zu Lähmungen führt. Hier haben wir diese Kommunikation mit einer digitalen Brücke zwischen dem Gehirn und dem Rückenmark wiederhergestellt, die es einer Person mit chronischer Tetraplegie ermöglichte, natürlich zu stehen und zu gehen“.
Die im Gehirn beginnenden Hirnsignale werden von dem Implantat aufgenommen und dort in eine Bewegung „übersetzt“. Diese Planung des Gehirns wird anschließend über Funk an einen Computer weitergeleitet. So schreiben die Forscher weiter: „Diese Gehirn-Wirbelsäulen-Schnittstelle besteht aus vollständig implantierten Aufzeichnungs- und Stimulationssystemen, die eine direkte Verbindung zwischen kortikalen Signalen und der analogen Modulation herstellen, die auf die Rückenmarksregionen abzielt, welche an der Produktion von Gehen beteiligt sind.“
Über ein weiteres Implantat, das sich am Bein des Patienten befindet, wird ein Beinmuskel angefunkt. Dieser soll dann die geplante Bewegung durchführen. Einfach ausgedrückt, entwickelten die Forscher einen Übersetzer, der die Aufgabe des Rückenmarks übernehmen soll.
Auch eine Heilung könnte möglich sein
Wie das ZDF berichtet, testete die Arbeitsgruppe das Gerät am Patienten Gert-Jan Oskam. Der 40-Jährige konnte zu Beginn nur sehr eingeschränkt an einem Rollator gehen. Dank des Implantats und einem zwölfmonatigem Training konnte er jedoch wieder selbstständig mit Gehhilfen gehen und sogar Treppen steigen. Die Wissenschaftler schreiben: „Diese Zuverlässigkeit ist über ein Jahr stabil geblieben, auch bei unabhängiger Verwendung zu Hause. Der Teilnehmer berichtet, dass das BSI die natürliche Kontrolle über die Bewegungen seiner Beine ermöglicht, um zu stehen, zu gehen, Treppen zu steigen und sogar komplexes Gelände zu durchqueren. Darüber hinaus verbesserte die vom BSI unterstützte Neurorehabilitation die neurologische Erholung.“
Die Forscher gehen davon aus, dass dieser positive Effekt des Trainings nachhaltiger Natur sein könnte. Denn sie beobachteten, dass der Patient zunehmend besser laufen konnte „auch wenn das BSI ausgeschaltet war. Diese digitale Brücke schafft einen Rahmen, um die natürliche Kontrolle der Bewegung nach der Lähmung wiederherzustellen.“ Laut den Experten schafft das Gerät also die Grundlage für eine eigenständige Wiederherstellung der Reize.
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