Viren gibt es überall. Nicht nur in der Luft, auf diversen Oberflächen und in Schwimmbädern; auch in der Tiefe der Erde oder am Grund des Meeres sind sie zu finden. Wenn Menschen mit Viren in Kontakt kommen, dann ist oftmals eine Erkrankung die Folge. Doch scheinbar müssen sich nicht alle Lebewesen vor dem parasitären Verhalten fürchten. Eine Publikation im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Science“ legt erstmals nahe, dass sich einige Wimpertierchen-Arten von Viren ernähren. Wurde hier etwa ein Grundbaustein der Nahrungskette schlichtweg übersehen?
Zwei verschiedene Wimpertierchen-Arten wurden untersucht
Wimpertierchen sind typischerweise kleiner als ein Millimeter und leben im Wasser oder im Boden. Ihren Namen tragen die Einzeller wegen der Wimpern, die ihren ovalen Körper bedecken und mit deren Hilfe sie sich fortbewegen. Um die Lebewesen besser zu verstehen, führten fünf Wissenschaftler rund um den Teamleiter John DeLong der Nebraska-Lincoln Universität ein Experiment durch.
Sie züchteten zwei verschiedene Wimpertierchen-Arten in einem Tümpel heran. „Wir haben den Populationszuwachs von Halteria und Paramecium in Fressversuchen mit und ohne Zugabe von Viren untersucht“, berichten die Forschenden in einer Pressemitteilung. Bei den Viren handelte es sich um Chloroviren, die zwar sehr klein sind, doch viele lebenswichtige Nährstoffe enthalten.
Population der Wimpertierchen-Art stieg um das 15-fache
Bei der Wimpertierchen-Art Paramecium fand durch die Zugabe der Viren keine Veränderung statt. Doch bei den Halteria kam es zu einem gigantischen Wachstum. Nach nur zwei Tagen war die Population der Viren auf ein Prozent der Ausgangsmenge geschrumpft, während sich die Wimperntierchen 15-fach schneller vermehrt hatten, als sie es ohne Viren taten.
Die Wissenschaftler verifizierten das Fressen der Viren, indem sie diese mit einer fluoreszierenden Farbe einfärbten. Daraufhin leuchteten auch die Wimpertierchen. Damit ist bewiesen, dass sich die Halteria von Viren ernähren können. Ob sie das auch in freier Wildbahn tun, kann die Wissenschaft allerdings noch nicht beantworten. Das ist das nächste Rätsel, das die Forschenden lösen wollen.
Wenn die Halteria die Chloroviren tatsächlich auch in der Natur verspeisen, würde es sich um eine bahnbrechende Erkenntnis handeln. Denn das könnte bedeuten, dass sich auch andere Lebewesen von Viren ernähren. „In bisherigen Modellen von aquatischen Nahrungsketten und Ökosystemen fehlt diese Verbindung zwischen Viren und ihren Konsumenten vollständig“, sagen die Wissenschaftler. Das könnte den Aufbau der Nahrungsketten in Fachbüchern von Grund auf verändern.
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