Angesichts der aktuellen Pandemie sind wir nicht alle gleich. Sowohl als Individuum, als auch als Bürger und damit Mitglied eines bestimmten Landes. Dieser Leitartikel setzt sich mit Letzterem auseinander: den Strategien und Maßnahmen, die die verschiedenen Regierungen der verschiedenen Länder treffen, aber auch mit den Sitten und Gebräuchen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Beides spielt eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung der Krise. Als Maßstab werden jene herangezogen, die die Ausbreitung des Virus beschränkt haben und deren Politik sich bisher als wirksam erwiesen hat (1). Vorliegender Artikel kann nicht als vollständige Analyse betrachtet werden, da sich die Situation kontinuierlich entwickelt und beinahe stündlich ändert, sondern soll vielmehr den aktuellen Stand aufzeigen.
Achtung der Hygienevorschriften
Zufälle sind oft Vorboten des Schicksals. Eine Umfrage, die Ende Februar vom Meinungsforschungsinstitut IFOP veröffentlicht wurde, zeigt, dass bei der französischen Bevölkerung ein mangelhafter Umgang mit Hygiene erfolgt. Eines der auffallendsten Ergebnisse ist, dass sich lediglich 3 von 4 Franzosen (76%) täglich ausreichend waschen und pflegen (2). Die Hygiene ist einer der treibenden Faktoren der Widerstandsfähigkeit gegenüber der Verbreitung eines Virus.
Eine Studie von Haris Interactive in Malaysia belegt, dass das Bewusstsein der Malaysier für die Gefahr der Pandemie dazu geführt hat, dass sie sich häufiger die Hände waschen – eine Verhaltensänderung, die mehr als 76% der Bevölkerung betrifft (3). Aufschlussreich wäre an dieser Stelle eine Studie, welche die Auswirkungen dieses Aspekts pro Land erarbeitet und miteinander vergleicht. Klar scheint allerdings zu sein, dass er eine wichtige Rolle bei der Prävention spielen kann (4).
Das Tragen einer Maske
Der Mangel an Masken hat zweifellos einen großen Einfluss auf die Gesundheitsskandale eines Landes wie Frankreich. Für andere Länder hingegen, die die strikte Einhaltung der prophylaktischen Beschränkungsmaßnahme durch Masken verordnet haben, wird eben dies von Vorteil gewesen sein. In Asien spiegelt diese Vorsichtsmaßnahme das gemeinsame Interesse wieder, insbesondere in einem Land wie Südkorea. Le Figaro erklärt in einem Artikel, welcher sich mit dem Coronavirus in Südkorea beschäftigt, dass dort jeder Bürger seit Februar eine Maske trägt (5). Eine Koreanerin erklärt, dass jene, die weder in der U-Bahn noch auf der Straße eine Maske tragen, scharf kritisiert werden. Das Tragen einer Maske ist unerlässlich, um andere nicht zu kontaminieren, erklärt eine Koreanerin. Nennenswert ist an dieser Stelle, dass dieses Land nach China eines der ersten von der Pandemie betroffenen Länder war. Philippe Lacoude berichtete auf unserer Website, dass die Lage in Südkorea, wo der Ausbruch zunächst auf die leichte Schulter genommen wurde, mit fast 3.736 bestätigten Fällen am 1. März 2020 nun ernst sei. Umso bemerkenswerter ist, dass Südkorea heute von vielen wissenschaftlichen Kommentatoren als Beispiel für sein gutes Krisenmanagement genannt wird (6).
Die Krise „zur richtigen Zeit“ erkennen
Einige Regierungen konnten die Krise besser vorhersehen als andere und haben dementsprechend restriktive, aber notwendige Maßnahmen ergriffen, die sich als vorteilhaft für ihr Land erwiesen haben. Als Beispiel genannt werden kann hier Georgien, wo bereits am 28. Januar, lange vor anderen europäischen Ländern, die Reisefreiheit eingeschränkt wurde. Auf diese Entscheidung – eine frühe und entschiedene Maßnahme, die von der WHO gelobt wurde – des georgischen Ministerpräsidenten Georgi Gakharia folgten weitere, wie die frühzeitige Absage großer Sport- und Kulturveranstaltungen und die Schließung der Skigebiete, Restaurants und Bars (7). All diese Maßnahmen wurden bereits ergriffen, als lediglich ein kleiner Teil der Menschheit infiziert war. Sofort folgten Maßnahmen zur Abfederung der Wirtschaft, wie die Einleitung eines wirtschaftlichen Rettungsplans (Steuerstundungen, staatlich garantierte Kredite, Mehrwertsteuer-Rückerstattungen, etc.). Zudem richtete die Regierung eine eigene Website ein, um in Echtzeit direkt mit den Bürgern zu kommunizieren (8). Wie Gabriel Wacksman als Vertreter für Europeanscientist betont, ist die Möglichkeit der Regierungen, die Pandemie vorherzusehen und auf dieser Grundlage entschlossen zu handeln, ausschlaggebend und umso wichtiger, wenn sie von einem kleinen Land ausgeht.
Umfangreiches Durchführen von Tests
Die Maskenpflicht hat die Situation in Südkorea entschärft. Ein weiteres Schlüsselelement zur Verbesserung der Lage in diesem Land war deren Kompetenz, die Bevölkerung massiv zu testen. Wie Eric Van Vaerenbergh uns auf unserer Website in Erinnerung rief, wurden in Südkorea täglich mehr als 15.000 Tests durchgeführt. Mittlerweile ist unbestritten, dass umfangreiche Tests die Lösung sind. Auch die WHO hat zu weitreichenden Überprüfungen aufgerufen. Im Hinblick auf Europa führt Deutschland (9) mehr als 500.000 Tests pro Woche durch (10), Rumänien spricht davon, die gesamte Bevölkerung Bukarests testen zu wollen, also 1,8 Millionen Einwohner (etwa 10% der Bevölkerung des Landes). Im Fall von COVID-19 liegt der Vorteil der Tests darin, dass durch sie auch jene Personen erkannt werden können, die infiziert sind, jedoch keine Symptome zeigen und die daher entsprechenden Maßnahmen unterzogen werden können.
Soziale Distanz
Diese Vorsichtsmaßnahme kann jeder Einzelne unabhängig und ohne Zwang handhaben, sobald er über das Risiko, dass er für sich und andere trägt, informiert wird. Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, dass sich die Betroffenen im Fall von COVID-19 nicht unbedingt darüber im Klaren sind, dass sie infiziert und damit Überträger einer Ansteckung sind.
Im Zusammenhang mit dieser Thematik haben sich Länder wie Taiwan und Singapur durch die Einrichtung des Contact Tracing hervorgetan, was in der Infografik des Schweizer Epidemologen Marcel Salathé (11) einwandfrei erklärt wird. Die grundlegende Idee war, die infizierten Menschen so schnell wie möglich und ohne gezielte Maßnahmen zu identifizieren und isolieren.
Darüber hinaus wurde Singapur für das harte Vorgehen gegen die Nichteinhaltung etablierter Regeln für die soziale Distanzierung bekannt: Wer die eingeführten Regeln missachtet läuft Gefahr, verhaftet zu werden (12). Wirksame Maßnahmen wie es scheint, denn auch wenn beide Länder in der Nähe von China (13) liegen, scheint die Zahl der Fälle äußerst gering zu sein.
Between very long lockdowns and "take it on the chin" approaches, there is a middle way to manage the #COVID19 crisis. It is based on a well-established concept in epidemiology: contact tracing. A thread about the concept. #OneStepAhead 1/n pic.twitter.com/9Muemc61Pq
— Marcel Salathé (@marcelsalathe) March 24, 2020
Einsatz von KI
Während China (14) einerseits angeprangert wird , die Pandemie länger als nötig verschleiert zu haben, ist dennoch unbestritten, dass der Einsatz fortschrittlicher Technologien durch das Land eine grundlegende Rolle im Kampf gegen die Pandemie und bei der Suche nach einem Ausweg gespielt hat. Eric van Vaerenbergh erarbeitete eine vollständige Liste der technologischen Lösungen, die von China zur Erkennung und Überwachung von mit dem Virus infizierten Personen eingesetzt werden. Das Unternehmen Megvii, welches sich mit Gesichtserkennung beschäftigt, installierte in einem Stadtteil von Peking einen Prototypen eines Temperaturmesssystems mit Gesichtserkennung; an öffentlichen Plätzen Infrarotkameras zur Messung der Körpertemperatur sowie Spracherkennungsassistenten, die 200 Telefongespräche in fünf Minuten bewältigen und damit Krankenhäuser bei ihren Screening-Aufgaben unterstützen können. Außerdem Anwendungen zur Überprüfung, ob man mit einem Patienten in Kontakt gekommen ist, usw. Hinzu kommt, dass China inzwischen mit fortschrittlichen medizinischen Geräten ausgestattet ist. Bemerkenswert ist auch das Projekt des Gesundheitsgesetzbuches, nämlich ein QR-Code, welcher sich als Pass für unsere täglichen Aktivitäten nützlich macht, wie Marc Rameaux für unsere Website erklärte.
Generelle Ausgangsbeschränkung / “Lockdown”
Diese Maßnahme ist zweifellos der letzte Ausweg. Dennoch haben viele Länder angesichts der Notlage davon Gebrauch gemacht, angefangen bei China. Wuhan hat bereits am 23. Januar 2020 sehr strenge Maßnahmen ergriffen, um das Virus einzudämmen. 15 weitere chinesische Städte folgten. In Europa war Italien das erste Land, welches die Ausgangssperre anwendete, gefolgt von Frankreich. Es ist an dieser Stelle schwierig zu sagen, ob sich die Maßnahme auf bestimmte Länder vorteilhafter auswirken als auf andere, da sie in jedem Land anders angewendet wird und nicht zwingend überall mit der gleichen Disziplin befolgt wird. Nicht zu vernachlässigen ist der Umstand, dass dieses Instrument, auch wenn es mehr oder weniger von allen Ländern angewandt zu werden scheint, katastrophale wirtschaftliche und sozioökonomische Folgen nach sich zieht. Angesichts der dritten Stufe der Pandemie scheint die Strategie jedoch ihre Wirksamkeit, die Kurve umzukehren unter Beweis zu stellen.
Eine reaktionsfähige Krankenhaus-Infrastruktur
Dieses letzte Kriterium ist schwer zu beurteilen. Auf die Daten der Worldometer (15), die die Effizienz der Gesundheitssysteme vergleichen ist allerdings Verlass. Angeführt von Israel mit 5 Todesfällen bei 2495 Erkrankten, was einer Sterblichkeitsrate von 0,2% entspricht, gefolgt von Norwegen mit 14 Todesfällen bei 3.191 bekannten Fällen, was ebenfalls einer Rate von 0,2% entspricht, Australien mit 13 Todesfällen bei 2.799 Infizierten bzw. 0,5% und die seltenen Länder wie Georgien, die bisher überhaupt keine Todesfälle zu verzeichnen hatten.
Wie dieser kurze Leitfaden veranschaulicht, wäre das am besten vorbereitete Land dasjenige, das alle wirksamen Maßnahmen gewissenhaft und zeitnah anwendet. Doch besonders deutlich wird, dass alle Instanzen eine wichtige Rolle spielen: Regierungen, die wissen, wie man die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit ergreift, aber auch die Bürger, die angemessen reagieren und bereit sind, angesichts der Pandemie Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen zu übernehmen.
Lektionen für die Zukunft.
(1) Based on information from the following website https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6
(2) https://www.psychologies.com/Actualites/Societe/Les-Francais-ont-ils-des-problemes-avec-l-hygiene
(3) https://www.malaymail.com/news/malaysia/2020/03/05/study-malaysia-leads-in-good-hygiene-practices-amid-covid-19-outbreak/1843707
(4) On the date of publications, Malaysia has confirmed 3116 cases, of which 50 fatalities.
(5) https://www.lefigaro.fr/conso/coronavirus-en-coree-du-sud-tout-le-monde-porte-un-masque-depuis-fevrier-20200323
(6) On the date of publication, South Korea has confirmed 9976 cases and 169 fatalities.
(7) Of note: 4000 Georgian citizens trapped overseas were brought home immediately by the government
(8) On the date of publication, Georgia has confirmed 130 cases of COVID-infections, and no fatalities
(9) On the date of publication, Germany has confirmed 77 981 cases and 931 fatalities.
(10) https://www.francetvinfo.fr/sante/maladie/coronavirus/coronavirus-l-allemagne-fait-des-tests-massifs_3886411.html
(11) https://twitter.com/marcelsalathe
(12) https://www.lepoint.fr/monde/coronavirus-singapour-menace-de-prison-ceux-qui-ne-gardent-pas-leurs-distances-27-03-2020-2369004_24.php
(13) On the date of publication, Singapore has confirmed 1000 cases and 4 fatalities, whereas in Taiwan the numbers are 338 and 5 respectively.
(14) On the date of publication, China has confirmed 82 394 cases and 3 322 fatalities.
(15) https://www.worldometers.info/coronavirus/?fbclid=IwAR0ju99k8C5dRwusVImTvC-cx8bIA2cRzEh9AyGW3UvfUe8_rvkkZpmj8lU
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