Edgar L. Gärtner
Es gibt eine häufiger werdende Krebsart, über die niemand gerne spricht, weil sie an einer sehr intimen Körperpartie auftritt. Die Rede ist von Analkrebs. Das Stichwort tauchte im Jahre 2009 erstmals in der internationalen Presse auf, als die bekannte US-Filmschauspielerin Farrah Fawcett an eben dieser gefährlichen Krebsform starb. Das wäre eine Gelegenheit gewesen, die breite Öffentlichkeit über die Ursachen dieser Erkrankung und über Möglichkeiten der Vorsorge aufzuklären. Doch niemand ergriff diese Gelegenheit.
Angeregt durch den Tod der prominenten Texanerin haben inzwischen Wissenschaftler des Gesundheitszentrums der University of Texas (UTHealth) unter der Leitung von Ashish A. Deshmukh in einer Langzeit-Studie die Daten von 68.809 Analkrebspatienten zwischen 2001 und 2016 ausgewertet und im November 2019 im Fach-Magazin Journal of the National Cancer Institute (djz219, https://doi.org/10.1093/jnci/djz219) publiziert. Danach hat die Zahl der Analkrebs-Diagnosen jedes Jahr um drei Prozent zugenommen. Der größte Zuwachs entfiel auf Frauen in der Altersgruppe zwischen 50 und 69 Jahren. Die Zahl der an Analkrebs erkrankten Frauen habe sich, so der Studienleiter, in dem Zeitraum von 15 Jahren mehr als verdoppelt. „Das ist sehr beunruhigend“, erklärt Ashish A. Deshmukh.
Auch in Deutschland steigt die Zahl der an Analkrebs Erkrankten an. Im Krebsregister des Robert-Koch-Instituts (RKI) lässt sich diese Entwicklung allerdings nur bis 2016 zurückverfolgen. Nach Angabe eines Ärzteverbandes erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 1750 Frauen und Männer an einem Analkarzinom. Etwa 400 sterben daran. Das RKI hat festgestellt, dass die Überlebenschance bei rechtzeitiger Behandlung für Frauen mit 69,5 Prozent größer ist als bei Männern mit 60,7 Prozent.
Es ist schon länger bekannt, dass Analkrebs durch Humane Papillom-Viren (HPV) ausgelöst wird. Die Übertragung der HP-Viren, von denen es über 200 verschiedene Typen gibt, erfolgt durch Hautkontakt, zumeist beim Geschlechtsverkehr. Dabei muss es sich nicht um Analsex handeln, denn der Abstand zwischen der Vagina und dem Anus ist so gering, dass die Viren auch bei „normalem“ Sex zu den Schleimhäuten des Analbereichs gelangen können. Das erklärt, warum Frauen etwa doppelt so häufig von Analkrebs betroffen sind als Männer. Gleichzeitig haben Frauen ein hohes Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, der durch den gleichen Virus verursacht wird. Auch Scheiden- und Schamlippenkrebs, Peniskrebs sowie Mund- und Rachenkrebs werden von HP-Viren verursacht. Insgesamt hängen in den entwickelten Ländern etwa die Hälfte aller Infektionskrankheiten direkt oder indirekt mit HPV zusammen. Zwischen der Infektion und dem Ausbruch einer Krebs-Erkrankung können Jahrzehnte vergehen. Analkrebs hat übrigens nichts mit dem ebenfalls gefährlichen Dickdarmkrebs zu tun. Dieser kann nicht durch HP-Viren ausgelöst werden.
Neben älteren Frauen stellen HIV-Patienten eine besondere Risikogruppe für HPV-Infektionen dar. Nach Angaben des RKI leben in Deutschland zurzeit 90.000 Menschen mit HIV. Da die Lebenserwartung der HIV-Patienten sich inzwischen infolge besserer Medikamente normalisiert, muss damit gerechnet werden, dass viele von ihnen infolge ihrer Immunschwäche an Analkrebs erkranken. Denn die HP-Viren sind weit verbreitet – auch bei gesunden Menschen.
Die beste Methode, um sich gegen HPV zu schützen ist nach Ansicht des Karlsruher Onkologen Franz A. Moshaf die Verwendung von Präservativen und Lecktüchern beim Geschlechtsverkehr. Die Viren können aber auch schon beim Küssen übertragen werden. Deshalb empfehlen die Gesundheitsbehörden wie in Deutschland die Ständige Impfkommission Mädchen und Jungen im Alter zwischen 9 und 17 Jahren die Immunisierung durch Impfung. In Deutschland waren im Jahre 2015 nur 45 Prozent aller 17-jährigen Mädchen geimpft. Angestrebt wird eine Impfquote von 70 Prozent. Allerdings wirkt die Impfung nicht gegen alle HPV-Typen und sie wirkt auch nicht, wenn es bereits zu einer Infektion gekommen ist. Deshalb ist eine jährliche Kontroll-Untersuchung wünschenswert.