Viele denken bei dem Wort Kryptowährung nach wie vor an Bitcoin, das Darknet oder stark schwankende Kurse. Dabei zeigen aktuelle Erhebungen, das Digitalwährungen bereits rasch weitaus mehr sein könnten, als eine Nische für risikoaffine Anleger. Nach einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München sind es insbesondere die Zentralbanken, welche das Potenzial der Technologie erkannt haben.
Folgt man den Ergebnissen der unlängst veröffentlichten Studie, dann analysieren dieser Tage 70 Prozent der weltweiten Zentralbanken die Ausgabe einer Digitalwährung (Central Bank Digital Currencie, CBDC). Eine von zehn plant sogar, eine solche Währung innerhalb der nächsten drei Jahre herauszugeben. Zwei von zehn visieren hingegen an, in den nächsten sechs Jahren das Geldsystem zu digitalisieren. Ferner geht aus der Erhebung hervor, dass das Thema zunehmend auf der Agenda der Zentralbanken ist. Seit 2018 stieg der Anteil jener Geldinstitute, die das Potenzial analysieren.
Nach Einschätzung der Forscher des Instituts sei die Stoßrichtung klar: „Immer mehr Zentralbanken beschäftigen sich mit CBDCs und planen eine Einführung. Es ist folglich nur eine Frage der Zeit, bis die ersten CBDCs eingeführt werden“.
Vorteile einer digitalen Zentralbankwährung
Die Autoren der Studie geben vier Gründe an, weswegen die Herausgabe eines digitalen Euro von Vorteil sei. Ob auch Nachteile damit einhergehen, sei an dieser Stelle dahingestellt.
Erstens seien Distributed-Ledger-Systeme (DLT) – auf deren Fundament die Digitalwährungen fußen – sicherer. Dies liege daran, dass die Transaktionsdaten auf einer Vielzahl von Computern gespeichert werden. Die Konsequenz hieraus sei die Tatsache, dass es für Hacker keinen „Single-Point-of-Failure“ mehr gäbe, keine einzelne Schwachstelle. Zweitens sei es schwieriger, Transaktionen zu manipulieren und im Nachhinein zu verändern.
Als dritten Grund nennen die Wissenschaftler Potenziale im Bereich der Automatisierung: „Die Auswirkungen eines DLT-basierten Zahlungsmittels sind daher im Kontext der Machine Economy besonders vielversprechend“, so die Auffassung. Künftig könnten demnach Millionen von Geräten miteinander vernetzt sein, und autonom Zahlungen empfangen und überweisen. Dies führe dazu, viertens, dass erhebliche Effizienzsteigerungen erzielt werden könnten. Wichtig sei hierbei, dass Mittelsmänner umgangen werden könnten, was auch ein Kosteneinsparungspotenzial berge.
Libra und Chinas Kryptowährung sorgen für Aufwind
Ein Blick auf China macht deutlich, dass die Pläne der staatlichen Digitalwährung bereits deutlich fortgeschritten sind. So berichtete das „Handelsblatt“, dass die Testphase in vier chinesischen Städten – Shenzhen, Suzhou, Xiong’an sowie Chengdu – bereits seit einigen Wochen anlaufe. Nach Informationen des Wirtschaftsmagazins befindet sich China im Rennen mit anderen Regierungen und privaten Konzernen. Es gehe darum, wer als Erster eine eigene Währung entwickle, welche auf der Distributed-Ledger-Technologie aufbaut.
Und auch das sogenannte Libra-Projekt, bestehend aus einem Konglomerat unterschiedlicher Konzerne, nimmt immer mehr Gestalt an. Nach Aussagen der Libra Association werde die Kryptowährung noch Ende des Jahres 2020 das Licht der Welt erblicken.
Die Zeichen der Zeit scheinen eine eindeutige Sprache zu sprechen. Digitalwährungen erleben Hochkonjunktur, was sich nicht zuletzt an den Plänen der Zentralbanken zeigt. Unterdessen bemängelt der Digitalverband „Bitkom“, dass Europa womöglich den Anschluss verpasse, denn verglichen mit China sowie Libra mache der digitale Euro weniger Fortschritte. So oder so: die Projekte eint die Tatsache, wenig mit der dezentralen Konzeption von Bitcoin gemeinsam zu haben. Idealisten der ersten Stunde werden hierüber vermutlich wenig erfreut sein.
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