Dass die Digitalisierung von großer Wichtigkeit ist, hierin sind sich die meisten einig. Allerdings setzen die europäischen Staats- und Regierungschefs unterschiedliche Schwerpunkte, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der „ESCP Business School“ hervorgeht. Philipp Meissner vom European Center for Digital Competitiveness sprach im Zuge der Studienveröffentlichung sogar davon, dass die Zukunftspolitik Europas immer noch ein Flickenteppich sei.
In der Erhebung werteten die Forscher öffentlich zugängliche Regierungsinformationen aus. Demnach widmet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verstärkt dem Thema 5G-Mobilfunknetz sowie der Industrie 4.0. Diesbezüglich weist die deutsche Regierungschefin europaweit das größte Engagement auf, so das Ergebnis der Studie. Weit abgeschlagen rangiert Deutschland hingegen im Entrepreneur-Bereich. Im Gegensatz zu anderen Staats- und Regierungschefs habe Kanzlerin Merkel keine Veranstaltung dieser Art besucht.
Bei einem Ranking, welches alle Teilgebiete der Digitalisierung umfasst, befindet sich der estnische Ministerpräsident Jüri Ratas auf der ersten Position, gefolgt wiederum von Angela Merkel. Von allen Staatslenkern weist Marjan Šarec, seines Zeichens Ministerpräsident Sloweniens, das geringste Engagement im Bereich Digitalisierung auf.
Unterschiedliche Schwerpunkte
Künstliche Intelligenz ist für vier der 27 Politiker ein Schwerpunktbereich – der französische Präsident Emmanuel Macron ist einer hiervon. Zudem setzte dieser verstärkt auf die Förderung von Tech-Unternehmen.
Die Studienautoren konstatieren, dass die EU-Staaten vor allen Dingen in den Bereichen Quantencomputer, Robotik und digitale Bildung wenig aktiv sind. Letzteres wiederum habe sich dieses Jahr bereits gerächt – nämlich dann, als zahlreiche Bildungseinrichtungen im Angesicht der Covid-19-Maßnahmen gezwungen waren, den Unterricht online abzuhalten, ohne ausreichend vorbereitet gewesen zu sein.
Konträre Ergebnisse
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel in Summe ein hohes Maß an Aktivität aufweist, ist es um Gesamtdeutschland schlechter bestellt, so zumindest das Ergebnis einer Erhebung der Europäischen Kommission. Jene europäische Institution erstellt jährlich einen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Hierbei belegte die Bundesrepublik bei der jüngsten Veröffentlichung lediglich den zwölften Platz. Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom, fand hierzu mahnende Worte: „Deutschland als Europas größte Volkswirtschaft muss auch in der digitalen Welt eine führende Rolle einnehmen“.
Bei besagtem Digitalisierungs-Index belegt Deutschland insbesondere im Bereich der digitalen Verwaltung eine hintere Position. Konkret rangiert die Bundesrepublik hierbei auf dem 21. Rang. Dies sei ein „Armutszeugnis“, so Berg. Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion betonte unterdessen, dass rasch ein Schalter umgelegt werden müsse – andernfalls bestehe die Gefahr, den Anschluss an China oder die USA zu verlieren. Zudem forderte sie eine einheitliche europäische Digital-Offensive. Hiervon kann allerdings bis dato keine Rede sein, so die Ergebnisse der Erhebung des European Center for Digital Competitiveness.
Aspekte der Digitalisierung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Einem „Handelsblatt“-Bericht zufolge investiert die Europäische Union deutlich weniger als die Wettbewerber aus USA, China und Südkorea in die Forschung wichtiger Zukunftstechnologien. Noch ist der Vorsprung allerdings womöglich aufholbar – zumindest dann, wenn Kräfte gebündelt werden.