Der Mensch ist ein widerspenstiges Lebewesen. Er trotzt globalen Pandemien, selbstgeschaffenem Klimawandel und plant aufgrund von Ressourcenmangel sogar die Eroberung des Mars. Allerdings könnte Gefahr von unerwarteter Seite drohen und die Menschheit vor eine wahre Zerreißprobe stellen.
Die Forscherin Sangeetha Abdu Jyothi von der University of California warnt im Rahmen der Sigcomm 2021 (Special Interest Group on Data Communication) Konferenz vor einer drohenden „Internet-Apokalypse“.
7 Milliarden $ Schaden täglich
Demnach könnten Sonneneruptionen Stromnetze, Funknetze oder Satelliten unerwartet lahmlegen. In einem Paper untersuchte sie entsprechend, welche Konsequenzen ein Ausfall des Internets für die Wirtschaft mit sich bringen würde. Allein in den USA würde demnach die Nichterreichbarkeit des World Wide Web für nur einen Tag einen Schaden von rund 7 Milliarden $ anrichten.
Adbdu Jyothi befürchte, dass die Welt kaum dazu imstande wäre angemessen auf derart große solare Ereignisse zu reagieren. „Was mich zum Nachdenken gebracht hat, war die Corona Pandemie, die gezeigt hat, wie unvorbereitet die Welt war“, so die Forscherin gegenüber dem Magazin Wired. „Es gab kein Protokoll, um effektiv mit Corona umzugehen und es ist im Prinzip das Gleiche bei der Widerstandsfähigkeit des Internets.“
Auch stabileres Glasfaser wäre betroffen
Besonders betroffen wären wohl insbesondere längere Verbindungskabel wie beispielsweise Unterseekabel, während Glasfaser vergleichsweise unempfindlich gegenüber drohenden elektromagnetischen Stürmen sei. Allerdings sei die Gefährdung der Repeater, die im Glasfasernetz alle 50-150 km verbaut sind, absolut real. Hält das Unterwasser-Netzwerk den Sonnenteilchen nicht stand, dann dürften Kernbestandteile des aktuellen Internets wie unter anderem das Domain Name System (DNS) vom Komplettausfall betroffen sein.
Die Kommunikation über Satelliten wäre bei einem großen Sonnensturm wohl ebenfalls zumindest stark eingeschränkt. Die sensible Technologie wäre noch nicht einmal durch die Erdatmosphäre geschützt. „Wir haben ein sehr beschränktes Verständnis davon, welches Ausmaß der Schaden annehmen würde“, so Adbdu Jyothi.
Europa sicherer als USA
Auch wenn die Forscherin eingesteht, dass eine exakte Prognose schwierig sei, sieht sie die Weltregionen unterschiedlich gut auf Sonneneruptionen vorbereitet, wie sie in ihrem Paper darlegt. Entsprechend könnten US-Server nicht länger Informationen nach Europa übertragen, wo zwar auch eine grundlegende Gefährdung bestehe, allerdings durch kürzere Kabelwege abgemindert werde.
In Asien diene der Hub Singapur als wichtiges Kriterium für eine erhöhte Widerstandsfähigkeit des Netzwerks. Wie ein Umschaltpunkt werden hier Kabel in den ganzen Kontinent verlegt.
Ein grundlegendes Problem des Planeten liege in der aktuellen Infrastruktur des Internets. Sie ist in den höheren Breitengraden konzentriert, wobei genau hier besonders hohe Belastungen von hochenergetischen Teilchen der Sonnenstürm zu erwarten wären.
Die Gefahr ist auch deshalb so real, da das Internetzeitalter noch relativ jung ist, zu jung um bereits erste Erfahrungen mit erhöhten solaren Aktivitäten gemacht haben zu können. In den vergangenen 30 Jahren konnten die Astronomen keine größeren Sonneneruptionen mit Auswirkungen für die Erde feststellen. Jedoch beobachtete die Europäische Weltraumagentur ESA erst diesen Februar, wie unser Stern zwei koronare Massenauswürfe von sich gab. Der Solar Orbiter filmte diesen Vorgang sogar. Dass die Erde nicht im Schussfeld der hochenergetischen Teilchen lag, war nichts anderes als purer Zufall. Doch schon der nächste Sonnensturm könnte unseren Heimatplaneten treffen.
Bild: NASA’s Marshall Space Flight Center/Flickr