In China haben Forscher einen neuen Meilenstein in der Kernfusion erreicht. 1.056 Sekunden – 17,5 Minuten – lang konnten die Wissenschaftler ein Plasma mit einer Temperatur von rund 17 Millionen °C aufrechterhalten. Somit ist dem Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) ein neuer Rekord gelungen, der auf weitere Erfolge hoffen lässt.
Seit 2006 wird in der chinesischen Provinz Anhui im Osten des Landes mit Kernfusionen experimentiert. Hierfür werden die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium miteinander fusioniert, um den Prozess der Energiegewinnung in Sternen zu imitieren. Bei ungeheurem Druck und einer enormen Energie verschmelzen die Kerne und stoßen sich nicht länger ab. Nachdem es allerdings auf der Erde kaum möglich sein dürfte, den enormen Druck, der etwa im Inneren der Sonne herrscht, zu erzeugen, muss man an einer anderen Stellschraube drehen: der Temperatur.
160 Millionen ° C sind bereits möglich
Die erforderlichen Temperaturen könnte man schon jetzt erreichen, EAST hatte in der Vergangenheit sogar Temperaturen von unglaublichen 160 Millionen °C erreicht. Bislang scheiterte die Menschheit aber an der Aufrechterhaltung eines stabilen Plasmas, das nicht unmittelbar mit seiner Umgebung reagiert und somit Temperatur verliert.
Laut Institut für Plasmaphysik der chinesischen Akademie der Wissenschaft (ASIPP) konnte der „neue Weltrekord für die Pulslänge“ eingesackt werden, indem in dem ringförmigen Tokamak ein außerordentlich heißes Plasma aus Wasserstoffisotopen erzeugt wird. Dabei wird der Anlage ein gepulster Strom zugrunde gelegt. Dieser hält Magnetfelder aufrecht, die das Plasma stabil halten sollen. Die ASIPP sicher laut einer Mitteilung „eine solide wissenschaftliche und Experimentalgrundlage für die Erforschung der Fusion Energie“ geschaffen.
In 10 Jahren marktreif?
In rund zehn Jahren möchte China die Fusion Energie gewinnbringend nutzen können. Hierfür müssten die Wissenschaftler die Anlage mit rund einem Megampere betreiben können und die Rekorde von Temperatur und Zeit zusammenbringen. Sollte es den Forschern tatsächlich gelingen EAST diese 1.056 Sekunden mit einem 160 Millionen °C heißen Plasma auszustatten, dann dürfte die Anlage profitabel werden.
Dabei wolle man auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen Teilen der Welt zurückgreifen. In Südfrankreich arbeitet China gemeinsam mit Europa am Forschungsreaktor Iter, der weitere Maßstäbe für industrielle Tokamaks setzen möchte. Die Anlage findet sich aktuell noch im Bau.
Der deutsche Stellarator Greifswalder Forschungsreaktor Wendelstein verfolgt indes einen anderen Ansatz. Zwar wäre ein erfolgreicher Betrieb deutlich komplexer, bei Erfolg wäre es aber möglich, die Anlage dauerhaft zu betreiben. Tokamaks verlangt hingegen auf eine gezielte Zündung immer neuer Prozesse.
Noch immer wird die Kernfusion als großer Hoffnungsträger der Klimawende angesehen. Bislang scheiterten allerdings sämtliche Versuche des dauerhaften Betriebs. Kritiker werfen der Technologie gar vor, enormes Kapital und Energie zu verschlingen. Sollten die Wissenschaftler jedoch weiter erfolgreiche Tests ausführen können und die Anlagen Schritt für Schritt verfeinern, so dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der erste Fusionsreaktor der Menschheit ans Netz geht.