Die obige Grafik stammt aus einer im vergangenen Jahr im Fachmagazin Remote Sensing (2019, 11(6), 663; erschienenen Arbeit über Ergebnisse der Satelliten-Mission CERES. Deren Aufgabe ist die Vermessung der Energiebilanz der Erde. Sie zeigt, dass die Differenz zwischen der von der Erde aufgenommenen Sonnenenergie und der in Form von Infrarotstrahlung wieder ins All zurückgestrahlten Energie zwar noch immer positiv ist und die Erde sich dadurch unterm Strich also etwas aufheizt. Diese Differenz ist seit der Jahrhundertwende aber in der Tendenz deutlich kleiner geworden. Hält dieser Trend an, wird die Erde sich schon bald abkühlen.
Steven Dewitte und seine Mitarbeiter weisen selbst darauf hin, dass dieser mithilfe von Präzisionsinstrumenten gemessene Trend ihren Erwartungen widerspricht. Sie waren davon ausgegangen, dass die massive Zunahme der Emission von „Treibhausgasen“ wie CO2 und Methan in den letzten Jahrzehnten das Gegenteil hätte bewirken müssen. Weit davon entfernt, die Hypothese eines Strahlungsantriebs durch CO2 in Frage zu stellen, nutzen die Autoren ihre Messungen für eine bessere Abschätzung des Einflusses einer Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre auf die Durchschnittstemperatur der Erde. Sie berechnen die Equilibrium Climate Sensivity (ECS), d.h. den Temperaturanstieg bis zu dem neuen, der höheren CO2-Konzentration entsprechenden Strahlungsgleichgewicht mit 1,7 Grad Celsius. Das ist deutlich weniger als der im letzten Sachstandsbericht des IPCC (AR5) von 2013 angegebene Wert 3,2 Grad Celsius. Er entspricht aber dem von Nicholas Lewis und Judith Curry im Jahre 2018 aufgrund des Ocean Heat Content (OHC) hergeleiteten Wert von 1,66 Grad Celsius. Es gibt also keinen Grund für Horrormeldungen, wie sie gerade jetzt im Umkreis des World Economic Forum (WEF) in Davos wieder Konjunktur haben.
Ein im AR5 noch nicht berücksichtigtes neues Klima-Modell gelangt sogar zu einer ECS von 4 Grad Celsius. Aber dafür gibt keinen empirischen Beleg. Die Arbeit von Dewitte und Kollegen krankt zwar daran, dass sie mangels Vergleichsdaten nur Messwerte aus diesem Jahrhundert berücksichtigen kann. Doch ist es inzwischen grundsätzlich möglich geworden, Klima-Modellrechnungen mit validierten Messdaten aus den letzten vier Jahrzehnten zu vergleichen. Michael Winton und sein Team von der US-Ozean- und Atmosphären-Behörde NOAA haben das mit ihrem neuen Ozean-Eis-Modell CM4.0 getan und gefunden, dass der von ihnen abgeleitete mittlere Wert der Transient Climate Response (TCR) von 1,46 ziemlich genau dem von Lewis und Curry abgeleiteten Wert entspricht. Eine Temperaturerhöhung von über zwei Grad Celsius bei einer CO2-Verdoppelung bezeichneten sie als unwahrscheinlich. Aus dieser Untersuchung lässt sich allerdings nicht ableiten, in welche Richtung sich die Strahlungsbilanz der Erde in den kommenden Jahren bewegen wird, da hier die Klima-Sensivität von CO2 im Vordergrund stand und andere Klima-Faktoren wie etwa die schwankende Sonnenaktivität kaum eine Rolle spielten.
Verminderung des energetischen Ungleichgewichts (EEI) der Erde von 2000 bis 2018
Quelle: Steven Dewitte et al., Observations Division, Royal Meteorological Institute of Belgium (https://www.mdpi.com/2072-4292/11/6/663/htm)