Gegenwärtig wird viel über den gangbarsten Weg in eine nachhaltige Energiezukunft diskutiert. Die Probleme sind, dass der Energiebedarf wächst, dass viel mehr Energie als für die reine Stromerzeugung benötigt wird und dass die derzeit genutzten Photovoltaik- und Windenergiequellen nicht so einfach hochskaliert werden können. Die Kernenergie wird wieder als Alternative in Betracht gezogen, aber für einen angemessenen Energieanteil müssten weltweit 20.000 Reaktoren betrieben werden, und diese sind teuer sowie ökologisch und politisch als heikel anzusehen. Eine naheliegende Alternative wäre, die Strategie der Natur mit entsprechend angepasster moderner Technologie1 zu verfolgen und dies in großem Maßstab zu tun. Preiswerter und reichlich verfügbarer Wasserstoff aus stürmischen Ozeanen (als technischer Ersatz für Wasserstoff über Photosynthese) wäre der offensichtliche Schlüssel zu globaler Nachhaltigkeit und einem ausgeglichenen Kohlenstoffaustausch mit der Atmosphäre.1, 2 Dazu bedarf es in einem ersten wichtigen Schritt keiner großen technologischen Sprünge. Es braucht lediglich die Entschlossenheit, bestehende Technologie weiterzuentwickeln und anzupassen. Dies wird dadurch erreicht, dass die für die Wasserstofferzeugung erforderliche Energieumwandlungs- und Elektrolysetechnik eine halbe Meereswellenlänge, d. h. 50 Meter, unter der Meeresoberfläche platziert wird, während nur die energiesammelnden Schwimmkörper der stürmischen Meeresoberfläche ausgesetzt sind. Der Wasserstoff wird über Unterwasserpipelines und die bestehende Infrastruktur für den Transport fossiler Energieträger an seinen Bestimmungsort geleitet, ähnlich wie es vielerorts bereits mit Erdgas geschieht. Da er im Grunde die natürliche Wasserspaltung nachahmt, würde preiswerter Wasserstoff die Energietechnik sauber machen und zudem innovative Energieanwendungen ermöglichen, die sich an Vorbildern aus der Natur orientieren1.
Um Wasserstoff nachhaltig zu erzeugen, ist es notwendig, primäre Sonnenenergie (Licht) oder sekundäre Sonnenenergie (Wind, Wasserkraft, Wellen) für die Zersetzung des Wassers durch Elektrolyse zu nutzen. Die Produktionskosten werden also automatisch durch die nachhaltige Erzeugung von Strom bestimmt, aber durch die Kosten der Elektrolysetechnik fast verdoppelt. Gegenwärtig kostet erneuerbarer Wasserstoff mehr als dreimal so viel wie Wasserstoff, der aus fossilem Erdgas hergestellt wird. Die Wasserstoffproduktion muss dort stattfinden, wo erneuerbare Energie in möglichst konzentrierter Form zur Verfügung steht, was den Technologie- und Materialaufwand reduziert, Wasserstoff somit billig ernten lässt und wo nachhaltiger Strom kein handelbares Konkurrenzprodukt ist.
Die naheliegendste Strategie wäre, dorthin zu gehen, wo auf der Erde die höchste Dichte an nachhaltiger Energie zu finden ist. Das sind die stürmischen Meere.2 Es ist eine Tatsache, dass in Richtung höherer nördlicher und südlicher Breitengrade fast ständig Wellen mit einer Höhe von 4 – 6 Meter vorkommen. Ihre Energiedichte ist 80-mal höher als die Energiedichte der maximalen Sonneneinstrahlung für Photovoltaikanlagen. Da mechanische Wellenenergie Tag wie Nacht und viel effizienter als Sonnenenergie gesammelt werden kann, bedeutet dies, dass in diesen Meeren im Vergleich zur Photovoltaik etwa 480 Mal mehr Energie pro Quadratmeter verfügbar und zu gewinnen ist. Dies ist ein riesiges Potenzial, das, wenn es technologisch beherrscht wird, erschwingliche Energie und mehr Energie in Form von Wasserstoff verspricht, als die Menschheit derzeit verbraucht. Eine verfügbare Kapazität von bis zu 50 Terawatt (50.000 Gigawatt) scheint möglich.
Derzeit gibt es weltweit etwa 30 experimentelle Wellenkraftwerke, die in Küstennähe Strom erzeugen. Der Unterschied wäre, dass Wasserstoff erzeugt wird und die gesamte Technologie nicht an der Meeresoberfläche, wo Stürme auftreten, sondern eine halbe Meereswellenlänge, etwa 50 Meter unter der Meeresoberfläche in konstant ruhigem Wasser funktioniert. Die Technologie muss so einfach, widerstandsfähig und zuverlässig wie möglich sein, um autonom arbeiten zu können. Die Wahl fällt auf die magnetisch-mechanische Energieumwandlung, bei der ein starker Magnet, der sich ohne direkten Kontakt in einer Spule bewegt, Strom erzeugt. Es gibt bereits fortschrittliche magnetische Materialien und es bestehen erhebliche Möglichkeiten für weitere Fortschritte. Nur die Schwimmer, die von den Wellen auf und ab getragen werden, sind den Stürmen ausgesetzt. Sie bewegen die Magnetstangen, die in den Spulen (Statoren) die periodischen Ströme erzeugen. Sie werden zu Gleichstrom gleichgerichtet, der den Wasserstoff aus dem Meerwasser freisetzt2. Der an den vorhandenen hochkatalytischen Elektroden erzeugte Wasserstoff wird gesammelt und unter Wasser abgeleitet. Dabei wird Sauerstoff freigesetzt, der zu einer Düngung des sauerstoffarmen Meerwassers beitragen kann.
Spuren von Chlor könnten anfangs ein gewisses Problem darstellen, aber in tieferen Wasserschichten entsorgt werden, wo sich schließlich harmlose Produkte bilden. Hochkatalytische sauerstoffentwickelnde Elektroden sind verfügbar und können weiter verbessert werden. Der Natur ist es bei der Photosynthese gelungen, Nebenreaktionen bei der Sauerstoffentwicklung zu vermeiden. Es gibt Möglichkeiten zu lernen.
Die wellengetriebenen Unterwasser-Elektrolyseanlagen, die auf weitgehend bekannter Technik beruhen, würden segmentweise ins Meer abgesenkt werden. Fraktale, selbstähnliche Geometrien von wasserstofferzeugenden Wellenkraftwerken tragen zur Energieeffizienz und optimierten Wasserstoffgewinnung sowie zu einer guten Zugänglichkeit für Logistik und Wartung bei. Ein Blick auf die derzeitige Technologie für fossile Brennstoffe und den Transport in rauen Meeresumgebungen zeigt, dass die Herausforderungen für das vorgeschlagene Projekt überschaubar sind. Die Entwicklungskosten für die Wasserstofftechnologie in stürmischen Ozeanen liegen schätzungsweise unter denen eines einzelnen Kernkraftwerks und eine reichhaltige saubere Energieversorgung für die ganze Welt wäre für eine unbegrenzte Zukunft verfügbar. Der Zeitplan für die Umsetzung wäre ähnlich lang wie der für die Fertigstellung eines neuen Kernkraftwerks.
1.) Tributsch, H.,
a) 2008, Erde, wohin gehst Du? Solare Bionik-Strategie: Energie-Zukunft nach dem Vorbild der Natur. Shaker-Media, Aachen. ISBN: 978-3-86858-044-02
b) 2012, Energy Bionics: The Bio-Analogue Strategy for a Sustainable Energy Future, p.
415 – 464, in „Carbon-Neutral Fuels and Energy Carriers (N.Z. Muradov, T.N.
Veziroglo, eds) CRC Press, Taylor & Francis Group (2012), ISBN 978-1-4398-1857-2
2.) Tributsch, H, 2012, Hydrogen from stormy oceans, in : Sustainable Energy Harvesting
Technologies: Past, Present and Future (ISBN: 978-953-307-438-2)
http://www.intechopen.com/articles/show/title/hydrogen-from-stormy-oceans
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