Lithium-Ionen-Akkus bilden zurzeit die technische Basis des politischen Traums von der universellen Elektromobilität. Das Nobel-Komitee hat das unterstrichen, indem es im letzten Herbst den Chemie-Nobelpreis drei Forschern zuerkannte, deren Arbeiten für die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterien maßgeblich waren: dem 97-jährigen deutschstämmigen Amerikaner John Goodenough, dem in Großbritannien geborenen Stanley Wittingham und dem Japaner Akira Yoshino. Obwohl der letztgenannte die erste kommerziell nutzbare Li-Ionen-Batterie bereits 1985 vorstellte, gilt deren Entwicklung bis heute noch nicht abgeschlossen.
Seit Jahren versuchen öffentliche und private Forschungs- und Entwicklungszentren, Problemen wie der geringen Reichweite und den hohen Kosten von Elektrofahrzeugen beizukommen. Lithium-Ionen-Akkus gelten freilich bislang als alternativlos, weil sie von allen großtechnisch umsetzbaren Batterie-Techniken die höchstmögliche Energiedichte erreichen. Diese ist mehr als doppelt so hoch wie bei den bekannten Nickel-Cadmium-Akkus, die obendrein unter nachlassender Leistungsfähigkeit durch den „Memory-Effekt“ leiden. Dieser Vorteil der Li-Ionen-Akkus muss allerdings durch den Nachteil der Brandgefährdung erkauft werden. Li-Ionen-Akkus neigen nämlich zum „thermischen Durchgehen“. Dass das keine abstrakte Gefahr ist, zeigen wiederholte Explosionen und Brände von E-Autos.
Um das zu verstehen, müssen wir den groben Aufbau einer solchen Batterie im Auge behalten. Im entladenen Zustand besteht deren Kathode (Pluspol) aus Lithiumkobaltdioxid, Lithiumnickeldioxid, Lithiummangantetroxid oder neuerdings auch Lithiumeisenphosphat. Beim Ladevorgang werden die negativ geladenen Lithium-Ionen der Kathode frei beweglich und wandern zur Anode (Minuspol). Beim Entladen geben sie jeweils ein freies Elektron ab. Die Elektronen kehren dann über den externen Stromkreis, in dem sie die gewünschte Arbeit leisten, zur Kathode zurück. Die Anode besteht heute in der Regel aus Graphit. Dessen regelmäßiges Kohlenstoffgitter bildet blätterteigartig übereinander liegende Schichten, zwischen denen die Lithium-Ionen bis zur Entladung festgehalten werden. Die entladenen Lithium-Ionen wandern dann zurück zur Kathode.
In der Batterie darf zu keinem Zeitpunkt metallisches Lithium entstehen, denn Lithium-Atome sind, wie aus dem Chemieunterricht bekannt sein sollte, äußerst reaktionsfreudig. Sobald sie frei im Elektrolyten herumschwimmen, können sie die Batterie zerstören. Wird nämlich eine bestimmte Grenztemperatur (zwischen 150 und 250 Grad) überschritten, reißen sie Sauerstoff-Atome aus der Kathode. Bei dieser Reaktion wird viel Wärme frei. Die einmal in Gang gesetzte Reaktion wird dadurch leicht zur unkontrollierbaren Kettenreaktion. Wird dabei die Schwelle von 300 Grad überschritten, beginnt der nichtwässrige Elektrolyt, ein organisches Lösemittel mit Lithiumsalzen, zwischen Kathode und Anode zu brennen und es kann zur Explosion der betroffenen Akku-Zelle kommen. In Brand geraten und explodieren können die Li-Ion-Akkus übrigens auch nach einer mechanischen Beschädigung. Dabei kann der Separator zwischen Kathode und Anode reißen und einen inneren Kurzschluss herbeiführen.
Die dem russischen Oligarchen Dimitri Rybolowlew gehörende Innolith-Holding mit Sitz in Basel behauptet, alle diese Probleme gelöst zu haben. Die vom Briten Alan Greenshields geleitete Gesellschaft betreibt an einem ehemaligen Siemens-Standort im badischen Städtchen Bruchsal bei Karlsruhe ein Entwicklungszentrum, in dem etwa 80 Ingenieure und Entwickler an einer Super-Batterie arbeiten, mit der E-Autos über 1.000 Kilometer am Stück fahren können sollen. Während in herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien ein hochbrennbarer organischer Elektrolyt eingesetzt wird, besteht der Innolith-Elektrolyt aus dem leitenden Salz Lithiumtetrachloraluminat und einer Schwefeldioxidlösung. Mit diesem Elektrolyten sollen bis zu 50.000 Ladezyklen möglich sein. In nur 24 Minuten soll eine große Grid-Bank auf 80 Prozent ihrer Kapazität geladen werden können. Die noch im Teststadium befindliche Anwendung für E-Autos soll eine Energiedichte von 1.000 Wattstunden je Kilogramm erreichen können. Die bislang beste Test-Batterie von Hitachi erreicht im Test nur 330 Wh/kg. Der Innolith-Akku für E-Autos soll 2023 marktreif sein.
Noch immer konzentrieren sich Forschung und Entwicklung also auf die Optimierung der Li-Ionen-Batterie. Wollen die Europäer auf diesem Gebiet mit den Chinesen konkurrieren, haben sie zunächst auch keine andere Wahl. Die größte Pilotanlage für die Serienfertigung von Li-Ionen-Zellen hoher Qualität steht derzeit am Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm. Im Rahmen des „Green Deal“ der neuen EU-Kommission ist vorgesehen, eine Milliarde Euro für den Aufbau einer europäischen Batteriefertigung zu mobilisieren. Wo diese Kapazität angesiedelt werden wird, steht zur Zeit noch nicht fest. Unabhängig davon arbeiten das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und das ZSW im Rahmen der Forschungsplattform CELEST aber auch schon an Konzepten für die Nach-Lithium-Ära, denn die Lithium-Vorräte der Erde sind begrenzt und ihre Gewinnung erzeugt schwere Umweltbelastungen. Als wichtigste Kandidaten für die Ablösung von Lithium gelten derzeit Natrium, Magnesium und Kalzium.