Die Reise eines Sandkorns aus den Anden in das argentinische Tiefland und den Río Paraná dauert gut 8500 Jahre. Dass der natürliche Flussverlauf große Mengen CO₂ binden kann, haben nun Forscher aus Potsdam herausgefunden. Demnach senke die Begradigung der Gewässer die Bindefähigkeit für organische Kohlenstoffverbindungen aus der Luft.
Neben Pflanzen sind auch Flüsse schon länger dafür bekannt, Kohlenstoff zu binden. Da der Fluss von vielen sogenannten Mäandern (Flussschlingen) unterbrochen wird, lagern sich die Sandkörner immer wieder ab, um später weiter gespült zu werden. Eingespülter Kohlenstoff aus Pflanzen und Böden bindet sich dabei an die Sandkörner und wird mit ihnen letztendlich ins Meer gespült. Dort werden die Partikel über Jahrtausende gespeichert, ohne das Klima zu belasten.
Wie Flüsse Kohlenstoff speichern
Klima-Wissenschaftler des GeoForschungsZentrum GFZ aus Potsdam haben nur bewiesen, dass natürliche Mäander nicht nur schön anzuschauen sind, sondern auch essenziell für genau diesen CO₂-Bindungs-Prozess. Durch genaue Analysen der Reise der Körner wurde klar, dass es primär die natürlichen Flussschlingen sind, in denen sich die Teilchen inklusive Kohlenstoff absetzen.
Das Binden und Ablagern der kohlenstoffhaltigen Verbindungen ist elementar wichtig für das Klima. Abgelagerte Verbindungen können nicht direkt durch Mikroorganismen wieder in das gasförmige CO₂ zersetzt werden, und bleiben so im Wasser gespeichert. In ihrer Veröffentlichung im Fachjournal „Nature“ erklären die Forscher den Mechanismus dahinter wie folgt: „Die Menge an partikulärem organischem Kohlenstoff, die langfristig begraben wird, wird dabei von der Balance von Oxidation und Erhaltung während des Transports im Fluss bestimmt.“
Um ihre Hypothese zu bestätigen, reiste das Team nach Argentinien, um Feldversuche durchzuführen. Dazu analysierten die Wissenschaftler den Fluss Río Bermejo, da dieser „keine nennenswerten Zuflüsse hat“, erklärt der Arbeitsgruppenleiter Dirk Sachse in einer Pressemitteilung des GFZ. Der Strom fließt aus den Anden in das Tiefland, wo er mit zahlreichen Mäandern verläuft und damit optimal für die Studie geeignet war.
Begradigung von Flüssen verringert Kohlenstoffaufnahme
Die Wissenschaftler um Hauptautorin Marisa Repasch analysierte die Prozesse im argentinischen Fluss anhand vielerlei Instrumente. Durch die Untersuchung von Beryllium-Isotopen konnten sie nachweisen, wie lange Partikel für ihre Reise durch den Strom benötigten. Kohlenstoff-Isotope wiederum, konnten Aufschlüsse über das Alter der mitgeschwemmten Körner geben. Durch Bodenanalysen entlang des Flusses, vom Ursprung der Sedimente bis zur Senke, konnte die Reise der Sandkörner nachverfolgt werden.
Sie konnten beweisen, dass es vor allem Flussschlingen sind, in denen Kohlenstoff abgelagert und damit gespeichert wird. Durch weniger Oxidierung des Sediments sinkt somit der CO₂-Ausstoß des Flusses. Die Hauptautorin äußerte sich zu den Ergebnissen in der Pressemitteilung: „Natürlich mäandrierende Flüsse erodieren Material aus den Flussauen und transportieren es ins Meer, wo es lange Zeit verbleibt. Dagegen sind künstlich stabilisierte Flussläufe weit weniger effektive Kohlenstoffsenken.“
Ob die Ergebnisse ihrer Forschung im Klimaschutz angewendet werden können, bleibt trotz der Ergebnisse jedoch offen. Die Erkenntnisse könnten zukünftig in die Berechnungen von Treibhausgasemission mit einfließen. Co-Autor Sachse hofft auf eine Anwendung: „Dies bedeutet, dass natürliche Flussläufe, die Raum zur Abtragung der Flussauen haben, der Atmosphäre mehr Kohlenstoff entziehen können, als gerade Flussabschnitte. Insofern könnten auch Begradigungen von Flüssen durch den Menschen zum Anstieg der CO₂-Konzentration der Atmosphäre beitragen. Spannend ist jetzt die Beantwortung der Frage, ob wir dem Klima helfen können, wenn wir den Flüssen wieder mehr Raum geben und die natürlichen Flussschleifen nicht behindern.“