In einer abgelegenen Ecke des Big Bend Nationalparks in Texas hat ein Team von botanischen Forschern etwas Außergewöhnliches entdeckt: eine Eiche, die längst als ausgestorben galt. Die Pflanze ist die womöglich seltenste Eichenart des Planeten.
Baum galt bereits als ausgestorben
Der Baum, eine Quercus tardifolia (Q. tardifolia), wurde erstmals in den 1930er Jahren beschrieben, aber das letzte lebende Exemplar galt bereits 2011 als verschollen. „Diese Arbeit ist wichtig, um die Artenvielfalt zu erhalten, die die Erde so schnell verliert“, so Dr. Murphy Westwood, Vizepräsidentin für Wissenschaft und Naturschutz am Morton Arboretum in einer Pressemitteilung. „Wenn wir den Rückgang von Q. tardifolia und anderen seltenen, gefährdeten Bäumen ignorieren, könnten wir zahllose Dominoeffekte mit dem Verlust anderer Lebewesen in den von diesen Bäumen unterstützten Ökosystemen erleben“.
Die Entdeckung des einsamen Baumes ist ein Grund zum Feiern unter Botanikern, da sie einen kleinen Sieg im Kampf gegen das Artensterben darstellt. Allerdings ist der Baum in einem schlechten Zustand und es sind sofortige Erhaltungsmaßnahmen erforderlich, um sein langfristiges Überleben zu sichern. Der Stamm war durch Feuer vernarbt und zeigte Anzeichen einer schweren Pilzinfektion. Die Wissenschaftler warnen, dass eine Dürre oder ein Feuer sein Leben beenden könnte. Der Klimawandel mache dieses Ergebnis von Jahr zu Jahr wahrscheinlicher.
Eiche muss in freier Wildbahn erhalten bleiben
Angesichts dessen arbeitet das Forscher-Team nun eng mit dem National Park Service zusammen, um die unmittelbare Waldbrandgefahr für den Baum zu verringern. Gleichzeitig machen sich involvierte Naturschützer machen auf die Suche nach Eicheln und versuchen, den Baum zu vermehren. Dies ist jedoch alles andere als ein leichtes Prozedere. Eichen stellen unter den Baumarten eine Ausnahme dar, da ihre Eicheln nicht traditionell zu Erhaltungszwecken in Samenbanken gelagert werden können, so die Forscher. Das bedeutet, dass sie in freier Wildbahn oder in lebenden Sammlungen erhalten werden müssen, weshalb die Beteiligung botanischer Gärten so wichtig ist. Die Forscher, die die seltene Eiche gefunden haben, sind jedoch besorgt, dass er keine Eicheln produziert. Um die Zukunft der Eiche zu sichern, werden andere Methoden der Vermehrung, einschließlich des Pfropfens, erprobt.
„Dies ist eine wichtige, gemeinschaftliche Forschung, die für den Schutz von Q. tardifolia notwendig ist“, sagt Carolyn Whiting, Botanikerin im Big Bend National Park. „Die Chisos Mountains beherbergen eine große Vielfalt an Eichenarten, was zum Teil auf die große Bandbreite an Lebensräumen in dieser ‚Himmelsinsel‘ zurückzuführen ist. Es gibt noch viel über die Eichen in den Chisos zu lernen.“
Genanalyse soll Unklarheiten zur Eichenart klären
Noch ist allerdings ungewiss, ob der Baum gerettet werden kann, aber die Wissenschaftler hoffen, dass sie durch ihr Studium dieser Art andere Organismen vor dem gleichen Schicksal bewahren können. Zur Erhalt der Art muss zunächst allerdings eine Genanalyse erfolgen. Schließlich sind Eichen für ihre Fähigkeit zur Hybridisierung oder Kreuzung bekannt, die es ihnen ermöglicht, sich schneller an veränderte Klimabedingungen anzupassen. Das ist zum einen ein ausgeklügelter Überlebensvorteil der stolzen Bäume, auf der anderen Seite könne diese häufige Hybridisierung auch die genetischen Grenzen zwischen den Eichenarten in einem bestimmten Ökosystem verwischen.
„Das ist ein interessantes Problem. Wir untersuchen, ob dieser Baum genetische Ähnlichkeiten mit anderen Bäumen aufweist, die zuvor als Q. tardifolia gesammelt wurden“, so Andrew Hipp, Ph.D., leitender Wissenschaftler für Pflanzensystematik und Herbariumsdirektor am Morton Arboretum, dessen Team die genetische Analyse verantwortet. „Das sollte uns auch sagen, ob sich diese Sammlung von Exemplaren genetisch so sehr von anderen eng verwandten Eichen in der Gegend unterscheidet, dass sie als Art anerkannt werden sollte.“
Unabhängig von der Klassifizierung sei es allerdings ohnehin wichtig, nicht nur einzelne Arten zu erhalten, sondern die gesamte genetische Vielfalt des Lebens zu bewahren. „Arten sind genetisch unterschiedliche Populationen, die wir in der Regel auf dem Feld erkennen können“, so Hipp weiter. „Aber sie sind nicht das A und O des Naturschutzes. Wir wollen auch die funktionale Vielfalt innerhalb der Arten schützen. Blattformen, physiologische Reaktionen auf Trockenheit und Feuer und sogar die Langlebigkeit von Bäumen sind alles Eigenschaften, die durch Genfluss zwischen Populationen und Arten ausgetauscht werden können.“
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