Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung haben untersucht, wie Wildtiere in Großstädten miteinander interagieren und wie ihr Verhältnis zu Hauskatzen ist. Durch Auswertung von rund 150 Wildtierkameras konnten die Forscher feststellen, dass sowohl Füchse als auch Marder, Waschbären und Hauskatzen alle die gleichen urbanen Plätze besuchen. Dort gingen sie vorrangig nachts in die Fotofalle. Außerdem fiel auf, dass die Zahl an Sichtungen während des Corona-Lockdowns stieg. Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Team im Fachjournal: „Journal of Animal Ecology„.
Fotofallen in ganz Berlin
Schon seit Längerem sind Wildtiere wie der Fuchs nicht mehr ausschließlich in Wäldern oder anderen Naturgebieten zu finden. In Großstädten wie Berlin zählen die roten Vierbeiner für viele Bewohner zum normalen Stadtbild. Wie auch in ihrem natürlichen Lebensraum müssen sie sich auf andere Geschöpfe einstellen und ihr Verhalten ihnen gegenüber anpassen – ob Jäger oder Gejagter. Die Präsenz des Menschen prägt die Verhaltensweisen dabei stärker als jedes andere Lebewesen.
Diese Erkenntnisse wurden durch ein Projekt von Prof. Stephanie Kramer-Schadt ermöglicht, infolgedessen Wissenschaftler des Leibniz-Instituts mit Berlin Bürgern zusammenarbeiteten und Wildkameras in der ganzen Stadt verteilten. Dazu gliederten sie die Karte von Berlin in ein Raster von 4km2-großen Vierecken ein und verteilten die Kameras so möglichst gleichmäßig. Die Daten aus den Kamerafallen wurden später von den Forschern ausgewertet und anhand von Informationen über die Gärten und deren Bepflanzung, sowie Bevölkerungsdichte und anderen Faktoren ausgewertet. So gingen den Beobachtern in jeder der 5 Feldphasen bis zu 1200 Rotfüchse, 3000 Katzen, 1000 Waschbären, 300 Marder und viele andere Säugetiere in die Falle.
Erstautorin Dr. Julie Louvrier der TU Berlin, die als Gastwissenschaftlerin für das Leibniz-Institut tätig ist, erklärte den Forschungsansatz in einer Pressemitteilung des Instituts: „Uns interessierte, ob und wie die flexiblen und anpassungsfähigen Beutegreifer in von Menschen dominierten Umgebungen präsent sind und räumlich und zeitlich interagieren. Das heißt, wir wollten wissen, ob sie dieselben Orte nutzen, und wenn ja, ob sie sich aus dem Weg gehen, indem sie zum Beispiel zu unterschiedlichen Tages- oder Nachtzeiten kommen.“
Lockdown zwingt Tiere zu nächtlichen Gartenbesuchen
Die Veränderungen des Lockdowns ließen darauf schließen, wie groß der Einfluss des Menschen auf das Verhalten der Tiere ist. Da mehr Bewohner während den Beschränkungen im eigenen Garten waren, mussten die Wildtiere ihre Besuche auf die Nacht verlegen. Trotzdem nahm die Gesamtaktivität der tierischen Stadtbewohner zu, wahrscheinlich durch weniger Menschen auf den Straßen. Auch fiel auf, dass sie zwar die Anwesenheit des Menschen tolerierten, direkte Kontakte aber möglichst vermieden. So auch mit Hauskatzen: zwar wurden mit mehr Fotografieren der Haustiere auch mehr Waschbären gesichtet, allerdings scheinen sie die dominante Art unter den Wildtieren zu sein. Im Gegensatz zu anderen verfolgen sie keine Vermeidungsmuster dem Menschen oder Füchsen und Co. gegenüber, obwohl sie körperlich stark unterlegen sind.
Die anderen drei untersuchten Arten zeigten jedoch starke Parallelen auf. Wurden in einem Garten mehr Waschbären gesichtet, waren auch Füchse und Marder meist nicht weit. Doch obwohl alle drei in den gleichen Gebieten nach Nahrung suchten, liefen sie sich doch nicht über den Weg. Alle nutzten unterschiedliche Zeitfenster für die Gartenbesuche, um den anderen aus dem Weg zu gehen.
„Unsere Untersuchung gewährt neue Einblicke in die Regeln, die den Interaktionen in einer Gemeinschaft mittelgroßer Beutegreifer in einer städtischen Umgebung zugrunde liegen“, erklärt Louvrier. „Es gibt mehrere Variablen, die die Interaktionsmuster in Gänze oder zu Teilen sowohl räumlich als auch zeitlich beeinflussen, insbesondere wenn die Auswirkungen menschlicher Präsenz berücksichtigt wird. Der Mensch spielt die Rolle einer „Super-Schlüsselart“, und seine Haustiere üben eine Dominanz auf die lokale Tierwelt aus – selbst auf Arten, die relativ gut mit menschlicher Präsenz, in vom Menschen überformten Landschaften, zurechtkommen.“
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