Das Elfenbein in ihren Stoßzähnen kostete schon vielen Elefanten das Leben. In Mosambik haben Forscher jetzt beobachtet, dass immer mehr Weibchen ohne Stoßzähne auf die Welt kommen. Sie untersuchten, welche genetischen Veränderungen hinter dem Phänomen stecken und entdecken ein erschreckendes Beispiel dafür, wie Menschen die Evolution von Tieren beeinflussen können.
Ein Beispiel von menschengemachter Evolution
In der klassischen Darwin’schen Evolutionstheorie werden nach dem „Survival-of-the-fittest“ Prinzip genau jene Merkmale weitergegeben, welche am besten an die Lebensumstände angepasst sind. So kamen die Elefanten ursprünglich zu ihren Stoßzähnen. Doch genau diese Anpassung, die den Elefanten die Nahrungsgewinnung erleichterte, ist mittlerweile eine große Gefahr für die Dickhäuter.
Wilderer schlachten die Tiere auf der Jagd nach dem kostbaren Elfenbein systematisch ab. Eine Studie von Wissenschaftlern um Shane Campell-Staton, Evolutionsbiologe an der Princeton University of New Jersey, hat jetzt die genetische Ursache der fehlenden Stoßzähne untersucht und ihre Ergebnisse im Fachjournal „Science“ veröffentlicht.
Vor allem im Bürgerkrieg in Mosambik zwischen 1977 und 1992 fanden Tausende von Elefanten ihren Tod. Beide Kriegsparteien jagten die Tiere auf der Suche nach Elfenbein und reduzierten so die Zahl der Elefanten im Gorongosa National Park um über 90 %. Fast 30 Jahre nach dem Bürgerkrieg verglichen die Forscher Daten mit Aufzeichnung vor dem Krieg und kamen zu einem traurigen Ergebnis: Etwa die Hälfte der Weibchen im National Park hat keine Stoßzähne mehr. In Männchen konnte jedoch kein derartiges Phänomen beobachtet werden.
X-Chromosom verantwortlich für fehlende Stoßzähne
Brian J. Arnold, Datenwissenschaftler und Co-Autor der Studie, sagt in einer Pressemitteilung, dass sie durch Simulationen und der Analysen von Statistiken eine 5-mal höhere Überlebenswahrscheinlichkeit für zahnlose Weibchen während des Krieges feststellen konnten. Dies sei ein Beispiel von extremer menschengemachter Selektion durch das Wirken von Wilderern.
Da dieses Phänomen ausschließlich bei Weibchen beobachtet haben, nahmen die Forscher an, dass das Gen für das Fehlen der Stoßzähne auf dem X-Chromosom liegen und tödlich für männliche Nachkommen sein muss. Eine Analyse von Populationsmustern ergab, dass die Nachkommen von zahnlosen Elefanten zu 65.7 % weiblich waren. Arnold zu Folge spricht dies für eine verringerte Fruchtbarkeit der Elefanten, so die Pressemitteilung.
Bei der Vertiefung der genetischen Analyse stellte sich heraus, dass vor allem ein Genbereich betroffen ist, welcher als AMELX bekannt ist. Auch beim Menschen ist dieses Gen bei der Bildung der Zähne involviert. Wenn Mutationen bei Frauen in diesem Gen auftreten, führt es zu Schäden am Enamel und brüchigen Zähnen. Neben der Parallele, dass die genetische Krankheit tödlich für männliche Embryos ist, sind die Schneidezähne in Betroffenen kleiner oder fehlend – das menschliche Pendant zu den Stoßzähnen.
Stoßzähne sind nicht nur wichtig für Elefanten
Auch das Verhalten und die Lebensweise der weiblichen Elefanten ändert sich durch das Fehlen der Stoßzähne. Sie sind „ein definierendes Merkmal der Elefanten, welches für alle möglichen Verhalten benutzt werden, einschließlich das Graben nach Wasser und das Abstreifen von Rinde von Bäumen“, erklärt Ryan Long, Professor für Wildtierforschung der University of Idaho in der Pressemitteilung. Dies könne weitreichende Folgen für das ganze Ökosystem haben. „Einige unserer vorläufigen Daten zeigen, dass zahnlose Elefanten eine andere Ernährung haben als Elefanten mit Stoßzähnen. Weil Elefanten eine Grundstein-Spezies sind, könnten Veränderungen in ihrer Ernährung die gesamte Landschaft verändern. Eine hohe Zahl an zahnlosen Elefanten könnte also ökosystemweite Auswirkungen haben.“
Auch wenn das Fehlen der Zähne als Beweis für menschengemachte Evolutionsdränge scheint, müssen noch mehr Studien durchgeführt werden, um festzustellen, ob sich diese genetischen Veränderungen auch in anderen Elefantenpopulationen in Afrika beobachten lässt.
Bild von Bisakha Datta auf Pixabay