Lange Zeit war unklar, wie aus einem einzelnen Pflanzensamen ein riesiger Baum wachsen kann. Auch wenn schon vor 50 Jahren bekannt wurde, dass Moleküle aus der Gruppe der „Auxine“ für das Wachstum essenziell sind, konnte ihr Wirkungsmechanismus erst jetzt nachvollzogen werden.
Zellwand macht Pflanzenzellen steif
Das Word „Auxin“ stammt aus dem griechischen und bedeutet so viel wie „wachsen“. Einen der zwei Mechanismen, über den die Stoffe eine Pflanze zur beständigen Weiterentwicklung verhelfen, wurde jetzt von Forschern der University of California in Riverside (UCR) entschlüsselt. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse gestern im Fachjournal „Nature„.
Im Gegensatz zu tierischen Zellen sind die kleinsten Bausteine von Pflanzen von einer steifen Schicht umgeben, der Zellwand. Die tierischen Bausteine können sich, wie auch Bakterien, mit ihrer flexiblen Zellmembran einfach teilen. Pflanzen hingegen müssen erst ihre harte Schicht „aufweichen“.
Die Zellwand besteht aus drei Hauptbestandteilen: der Zellulose, der Hemizellulose und dem Pektin. „Zellulose funktioniert wie Stahlbeton in einem Hochhaus und bietet eine breite Basis für Stärke. Sie wird durch Hemizelluloseketten verstärkt und durch Pektin versiegelt“, erklärt Forschungsleiter des UCR, Zhenbiao Yang, auf der Webseite der Universität.
Der Botaniker beschäftigt sich schon seit zwei Jahrzehnten mit dem Aufbau von Pflanzen. Die komplexe Struktur der Zellwand schützt den Organismus von externen Einflüssen wie etwa vor starken Winden. Doch wie ist es möglich, dass trotz dieser steifen Struktur die Pflanzen beweglich sind und wachsen können?
Auxine weichen Zellwände auf und ermöglichen Wachstum
Schon vor einem halben Jahrhundert postulierten Forscher die These, dass durch einen Abfall im pH-Wert der Zelle die Zellwand aufgeweicht würde. Wie genau die Auxine dies anstellten, war bisher jedoch ein Rätsel. Wie Yang und sein Team herausfanden, aktivierten die Auxine Protonenpumpen, welche die Zellwand saurer machten. Der geringere pH wiederum aktivierte Proteine, sogenannte Expansine, welche die Verbindungen zwischen Zellulose und Hemizellulose aufweichten. Mit den Protonen werden auch Wassermoleküle in die Zelle gezogen, was einem höheren Innendruck der Zelle führt. „Wie in einem Ballon hängt die Ausdehnung davon ab, wie dick die Außenseiten sind und wie viel Luft man hineinbläst“, erklärt Yang.
Der zweite Effekt, den die Auxine auf die Zelle haben, hängt mit der Expression von Genen zusammen. Die Moleküle verändern das Ausschüttungsmuster von Wachstumsfaktoren und anderen Signalstoffen, welche sowohl den pH in der Zelle senken, als auch die Ausdehnung förderten. Dieser zweite Weg wurde von einem Team um Mark Estelle entdeckt, einem Professor aus San Diego.
Eines der größten Geheimnisse des Wachstums von Pflanzen
Die Entdeckung von Yangs Team vervollständigte das Verständnis ihrer Ergebnisse, wie der Wissenschaftler erklärt: „Die jüngste Arbeit von Dr. Yang stellt einen bedeutenden Fortschritt in unserem Verständnis darüber dar, wie Auxin die Zellexpansion reguliert. Es ist bekannt, dass die Ansäuerung des extrazellulären Raums die Zellexpansion fördert, aber es war nicht bekannt, wie dies geschieht“, sagte Estelle. „Es ist aufregend zu sehen, wie ein altes Problem gelöst wird“.
Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass sie mit der Entdeckung eines die größten Geheimnisse des Pflanzenwachstums entschlüsselt haben. Die Auxine seien in fast jeden Schritt der Entwicklung beteiligt, von der Samen- und Wurzelentwicklung bis zur Verzweigung von Ästen und Blattbildung.
Auch die Reaktionen auf Schwerkraft und Licht wird demnach von Auxinen geregelt. „Wenn wir verstehen, wie die grundlegende Biologie funktioniert, könnte sich das eines Tages auf die menschliche Gesundheit auswirken“, kommentiert Yang die Ergebnisse. So könnte das tiefere Verständnis der Auxine nicht nur unsere Landwirtschaft in der Zukunft beeinflussen, sondern eventuell auch die Medizin.