Dieser Artikel wurde von drei Experten verfasst, die Teil der Leiter zweier europäischer Verbände sind, der WGG (Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V.) in Deutschland und der AFBV (Association Française des Biotechnologies Végétales) in Frankreich, die zusammenarbeiten, um wissenschaftliche Informationen zur genomischen Bearbeitung, einer der genannten Technologien, zu verbreiten als NBT (New Breeding Techniques). Sie bieten ihre Vision und Empfehlungen für die Anpassung der aktuellen Gesetzgebung an Fragen der genomischen Bearbeitung an.
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Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, die wichtigsten sind die Nahrungsmittelversorgung einer wachsende Weltbevölkerung (9-10 Milliarden Menschen im Jahr 2050), die Verknappung von Ackerflächen, die Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel sowie dem Verlust der Biodiversität1. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wirtschaftens mit weniger Landverbrauch, geringeren Einsatz von Betriebsmitteln und Reduzierung von Umweltauswirkungen. Die „Farm to Fork“-Strategie, die im Mittelpunkt des europäischen Green Deals steht, soll unser Lebensmittelsystem nachhaltiger und widerstandsfähiger machen2.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen alle Beteiligten die Entwicklung einer innovativen und effizienten Landwirtschaft in Europa unterstützen. Unter den Innovationen, die auf allen Stufen der Lebensmittelkette erforderlich sind, kommt diejenigen aus der Pflanzengenetik eine strategische Rolle zu. Daher ist es wichtig, dass alle Techniken, die für die Erzeugung neuer Pflanzensorten zur Verfügung stehen, grundsätzlich und ohne Ausschluss genutzt werden können.
Das Wissen zur Verbesserung von Pflanzeneigenschaften haben sich mit dem wissenschaftlichen Fortschritt ständig weiterentwickelt. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Genomeditierung, auf Techniken zur gezielten Veränderung der genetischen Information durch Hinzufügen, Deletieren oder Austausch (Replacement) von Nukleotiden an einer vorbestimmten Stelle der Genomsequenz eines Empfängerorganismus. Mit diesen Techniken können Pflanzen schneller mit wünschenswerten Merkmalen versehen werden als mit den älteren Methoden. Zu diesen Merkmalen gehören (i) Resistenz gegen biotischen Stress, Krankheitserreger und Aggressoren, (ii) erhöhte Toleranz gegenüber abiotischem Stress wie Trockenheit oder Temperaturschwankungen und (iii) verbesserte hygienische, technologische und ernährungsphysiologische Qualitäten der Erzeugnisse. Die ersten genomeditierten Pflanzen wurden in Nordamerika eingeführt3 und mit einem begrenzten Anbau einer editierten Tomate wurde in Japan begonnen4.
Warum genomeditierte Pflanzen eine neue differenzierte Regulierung benötigen
Analysen und Bewertungen dieser Techniken, die vom französischen Hohen Rat für Biotechnologien5, der EFSA6 und dem Scientific Advice Mechanism7 durchgeführt wurden, sind zu dem Schluss gekommen, dass genomeditierte Pflanzen sich in ihren Auswirkungen auf Gesundheit oder Umwelt nicht von jenen unterscheiden, die mit herkömmlichen Züchtungsmethoden gewonnen wurden.
In seinem Urteil vom 25. Juli 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Organismen, die aus Genom-Editing-Techniken hervorgegangen sind, umfänglich der Richtlinie 2001/18/EG unterliegen Diese Entscheidung blockiert de facto ihre Verwendung genomeditierter Pflanzen für kommerzielle Zwecke in der EU.
Wie kann die Verwendung genomeditierter Pflanzen ermöglicht werden?
Angesichts des Potenzials dieser Techniken, die EU in die Lage versetzen kann, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist es unerlässlich den regulatorischen Rahmen für Pflanzen, die aus Genomeditierungsverfahren hervorgehen, zu überarbeiten und an Stand von Technik und Wissenschaft anzupassen. Diese Notwendigkeit einer Überarbeitung und Anpassung wurde durch die jüngsten ethischen Empfehlungen der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien8 bestätigt.
Genomeditierungsverfahren können zur Veränderung eines einzelnen Nukleotids bis hin zum Einbau ganzer Gene eingesetzt werden. Deshalb wird vorgeschlagen, verschiedene Regelungskategorien auf Grundlage der Art der editierten Pflanze einzuführen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlagen wir vier Kategorien von genomeditierten Pflanzen vor, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18/EG ausgenommen werden sollten (Tab. 1). Mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnisse und des technischen Fortschritts können neue Kategorien hinzugefügt werden. Diese vier Kategorien wurden unter Berücksichtigung der Ansätze der traditionellen Züchtungsmethoden festgelegt.
Tabelle 1: Kategorien genomeditierter Pflanzen
Die Ausdrücke „editiert“ oder „genomeditiert“ beziehen sich auf Verfahren der Genomeditierung.
** Der Ausdruck „natürlicher Genpool“ bezieht sich auf den Genpool einer Pflanzenspezies, definiert als die Gesamtheit der Gene und Allele (unterschiedliche Varianten eines Gens), die durch Kreuzungen auch mit entfernt verwandten Pflanzen Gene austauschen können.
Der Entwickler/Anmelder einer genomeditierten Pflanze muss den Ausschluss von einer zuständigen Behörde bestätigen lassen. In seinem Antrag muss der Anmelder Informationen über die Empfängerpflanze, die verwendete Technik und das editierte Allel oder das eingefügte Gen angeben. Falls bei Editingsverfahren ein GVO-Zwischenprodukt entstanden ist, sollte jede eingefügte rekombinante Nukleinsäuresequenz eliminiert werden, und es sollte ein Nachweis der Eliminierung erbracht werden. Der Ausschluss einer genomeditierten Pflanze gilt für alle Varietäten, die aus dieser bearbeiteten Pflanze mit der gleichen Veränderung erzeugt wurden und gilt für alle Mitgliedstaaten. Die Überprüfungszeit sollte 60 Tage nicht überschreiten. Sobald die Bestätigung des Ausschlusses vorliegt, würde(n) die aus der bearbeiteten Pflanze gewonnene(n) Sorte(n) den Saatgut- und Sortenschutzbestimmungen unterliegen, die für die betreffenden Kulturpflanzenarten in gleicher Weise gelten wie für jede Sorte, die durch traditionelle Züchtungsverfahren gewonnen wurde. Dies schließt die Eintragung in die gemeinsamen Sortenkataloge landwirtschaftlicher Pflanzen, die in der EU vermarktet werden können, ein.
Europa hat alle Trümpfe in der Hand, um erfolgreich zu sein, vorausgesetzt, es hat Vertrauen in seine Forschung und Innovation
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unser Vorschlag den Landwirten und Verbrauchern in Europa in dreifacher Hinsicht Vorteile bringen würde:
- Beschleunigung der genetischen Verbesserung durch die Verwendung von Genomeditierungsverfahren. Diese Verfahren stehen den öffentlichen und privaten Sektor sowie für große und kleine Unternehmen bereits weithin zur Verfügung. Eine angepasste Regulierung wird den Einsatz dieser Techniken bei allen Nutzpflanzen und in allen Ländern fördern. Sie bieten die Möglichkeit alte Sorten direkt zu verbessern, damit sie wettbewerbsfähig bleiben und die Pflanzenvielfalt und die Biodiversität geschützt werden. Mit ihnen lassen sich Kosten für Pflanzenzüchter einsparen und ermöglichen den Zugang zu genetischen Verbesserungen in sinnvollen Zeiträumen bei den heutigen klimatischen Herausforderungen.
- Aufrechterhaltung des Vertrauens der Stakeholder durch Transparenz: Die zuständigen Behörden werden den Ausschlussstatus einer genomeditierten Pflanze validieren. Genomeditierte Pflanzen unterliegen den Saatgut- und Sortenschutzbestimmungen, die für konventionelle Sorten gelten. Alle Aussagen zu den neuen Eigenschaften unterliegen den geltenden Vorschriften. Alle unerwarteten oder nachteiligen Auswirkungen werden den gleichen Meldepflichten unterliegen wie alle landwirtschaftlichen Produkte, die heute in der EU vermarktet werden.
- Erreichen der EU-Nachhaltigkeitsziele: Genomeditierungsverfahren werden schnelle Anpassungen von Nutzpflanzen ermöglichen. Damit werden sie Nachhaltigkeit und Biodiversität stärken sowie die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Nutzpflanzen erhalten.
Die regulatorischen Vorgaben zu genomeditierten Pflanzen werden in Europa entscheidend die Entwicklungen von Innovationen in der Pflanzenzüchtung und damit die Zukunft seiner Landwirtschaft und seiner Ernährungssouveränität bestimmen.
Referenzen:
- https://www.wri.org/blog/2013/12/global-food-challenge-explained-18-graphics
- https://eur-lex.europa.eu/legal-content/FR/TXT/?uri=CELEX:52020DC0381
- https://calyxt.com/first-commercial-sale-of-calyxt-high-oleic-soybean-oil-on-the-u-s-market/
- https://sanatech-seed.com/en/20201211-1-2/
- http://www.hautconseildesbiotechnologies.fr/fr/avis/avis-sur-nouvelles-techniques-dobtention-plantes-new-plant-breeding-techniques-npbt
- https://doi.org:10.2903/j.efsa.2020.6299
- https://doi.org/10.2777/17902
- https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/research_and_innovation/ege/ege_ethics_of_genome_editing-opinion_publication.pdf
- Wang et al., 2014 – doi:10.1038/nbt.2969
- Haverkort et al., 2016 – doi:10.1007/s11540-015-9312-6
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