
Je höher die Blätter, desto geschmackvoller und nahrhafter sind sie. Kein Wunder also, dass die Evolution den Giraffen so lange Hälse verpasst hat, oder? Ein Forscherteam der Chinesischen Akademie der Wissenschaften stellt diese Annahme nun infrage und liefert neue Beweise, die die Theorie stützen, dass die langen Hälse der Giraffen vielmehr Vorteile im Kampf um Partnerinnen boten. Das Wort „Kampf“ darf hierbei wörtlich genommen werden.
Längere Hälse könnten Vorteile bei der Partnersuche geboten haben
Die Forscher analysierten für Ihre Studie 77 versteinerte Knochen von fossilen Giraffoiden, die – mittlerweile längst ausgestorben – vor wohl 17 Millionen Jahren in Nordchina durch die Steppe streiften. Dabei offenbarten die Untersuchungen einen äußerst gefestigten Schädel, der von einer Art Helm zusätzlich geschützt wurde. „Diese bisher unbekannte Art hat einen dickknochigen Schädel mit einem großen, scheibenförmigen Kopfband, eine Reihe von Halswirbeln mit extrem verdickten Zentren und die kompliziertesten Kopf-Hals-Gelenke bei Säugetieren, die bisher bekannt sind“, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Science“.
Spezielle Gelenke und Wirbel deuten gar auf spektakuläre Kämpfe der Ahnen der modernen Giraffen hin, die sich womöglich im wahrsten Sinne des Wortes die Köpfe einschlugen. „Die eigentümliche Kopf-Hals-Morphologie wurde höchstwahrscheinlich für ein heftiges Kopfstoßverhalten der Männchen angepasst, das mit dem Nackenblasen bei männlichen Giraffen vergleichbar ist, aber auf eine extreme Anpassung in eine andere Richtung innerhalb der Giraffoiden hindeutet“. Die Ergebnisse des Teams legen also nahe, dass ein langer Hals diesen Tieren bei der Partnersuche geholfen haben könnte. Die Konsequenz: Giraffen könnten möglicherweise auch heute noch Partner anziehen, indem ihr Hals sie größer und einschüchternder erscheinen lässt.
Rätsel bislang weiterhin ungelöst
Der genaue Grund für die Entwicklung des langen Halses ist jedoch noch weiterhin unklar und es sind weitere Studien erforderlich, um festzustellen, ob es sich um eine Anpassung für den Kampf oder doch für etwas ganz anderes handelte. Wie das Wissenschaftsmagazin Spektrum schreibt, reichen die Theorien von Vorteilen bei der Nahrungssuche bis hin zu sexuellen Gründen. Beide Hypothesen wiesen jedoch ihre Schwächen auf. So könnten Evolutionsforscher nicht erklären, warum Giraffen auch nach mehreren Millionen Jahren ihre Größe beibehalten konnten. Dies würde gängigen Beobachtungen zu Nahrungsmittelvorteilen widersprechen. Auf der anderen Seite könnten Fortpflanzungsvorteile nicht schlüssig darlegen, warum auch Weibchen mit derart langen Hälsen ausgestattet sind.
Im Endeffekt ist es wohl ein Mix aus verschiedenen Faktoren, der den Hals der Giraffen zu einem ihrer markantesten und faszinierendsten Merkmale macht.
Bild von HowardWilks auf Pixabay