Während die meisten Menschen schon damit zufrieden sein dürften, wenn sie in Würde ein Alter von 80 bis 85 Jahren erreichen, scheinen sich wohlhabende Bewohner des kalifornischen Silicon-Valley in den Kopf gesetzt zu haben, das Regelalter 130 Jahre zu erreichen. Und sie scheinen auch bereit, Milliarden Dollar für die Forschung zu mobilisieren, um diesem Ziel näher zu kommen. So wurde kürzlich die erfolgreiche Verjüngung seniler und kranker Mäuse durch Juan Carlos Izpisúa Belmonte am Salk-Institut in La Jolla bei San Diego beinahe wie die erste Mondlandung gefeiert. Weniger spektakulär, aber doch mit Nachdruck suchen auch Forscher des Kölner Max-Planck-Instituts für die Biologie des Alterns mithilfe von Experimenten an Fruchtfliegen, kleinen Killifischen und Mäusen nach Medikamenten-Cocktails, die in der Lage sind, typische Altersleiden wie Arthrose, Alzheimer-Demenz, Parkinson, Diabetes, Krebs, Muskelschwund und Osteoporose zu lindern, wenn nicht ganz vergessen zu machen.
Eines der privaten Institute, die sich in Kalifornien ganz der Altersforschung widmen, ist Calico. Hier haben die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page investiert. Amazon-Gründer Jeff Bezos und der Paypal-Mitbegründer Peter Thiel unterstützen hingegen Unity Biotechnology. Ein anderes privates Institut, das kürzlich durch Erfolgsmeldungen von sich reden machte, ist Intervene Immune. Das von Gregg Fahy und Bobby Brooke gegründete Institut hat sich die Mitarbeit des genialen deutschstämmigen Genetikers und Bio-Mathematikers Steve Horvath, des Erfinders der nach ihm benannten Horvath-Lebensuhr, gesichert. Die Horvath-Uhr erlaubt eine relativ präzise Vorhersage der einem Individuum verbleibenden Lebensspanne. Wie wir schon meldeten, hat Intervene Immune an neun Männern im Alter zwischen 51 und 65 Jahren einen klinischen Test mit dem menschlichen Wachstumshormon hGH, der Hormon-Vorstufe DHEA und dem Diabetes-Medikament Metformin durchgeführt. Dessen Ziel war eigentlich die Wiederbelebung des Immun-Organs Thymus, das bei Erwachsenen normalerweise verkümmert. Doch die Untersuchung des Erbguts der Männer durch Horvath nach zwölf Monaten ergab, dass die Männer durch den Medikamenten-Cocktail im Schnitt zweieinhalb Jahre Lebenserwartung hinzugewonnen hatten. Das gilt als Sensation. Sebastian Grönke vom bereits zitierten Kölner MPI für Altersbiologie warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen, da es bei der kalifornischen Studie keine Kontrollgruppe gab, der lediglich Placebos verabreicht wurden. Außerdem sei die Zahl von neun Probanden viel zu klein gewesen. Gregg Fahy, der wissenschaftliche Direktor von Intervene Immune, hat deshalb bereits Folgestudien mit einer größeren Zahl von Männern und Frauen unterschiedlichen Alters angekündigt.
Der bereits erwähnte Juan Carlos Izpisúa Belmonte wählte einen anderen Weg der Verjüngung von Organismen: die so genannten Yamanaka-Faktoren. Der Japaner Shinya Yamanaka hatte schon im Jahre 2006 entdeckt, dass man jede beliebige ausdifferenzierte Körperzelle wieder in den Embryonalzustand zurückversetzen kann, wenn man die Textmarker auf der Erbsubstanz DNA in Form von Methylgruppen mithilfe von vier Proteinen (Yamanaka-Faktoren) löscht. Izpisúa Belmonte verabreichte an Progerie (vorzeitigem Altern) leidenden Mäusen die Yamanaka-Faktoren und löste damit bei ihnen, wie befürchtet, zunächst Krebs aus. Erst als er deren Gene mit einen Schalter ausstattete, der durch das Antibiotikum Doxycyclin umgelegt wurde, gelang die Verjüngung ohne Krebs als Nebenwirkung. Um den Genschalter zu betätigen, durfte das Antibiotikum allerdings nur an zwei Tagen in der Woche verabreicht werden. Im Endeffekt lebten die zuvor im Zeitraffer alternden Mäuse mithilfe der Yamanaka-Faktoren 30 Prozent länger als ihre gesunden Artgenossen.
Noch kann es nicht als sicher gelten, ob der Jubel um dieses Experiment wirklich gerechtfertigt war. Aber es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die von kalifornischen Milliardären gesponserte Altersforschung im Endeffekt auch Normalsterblichen helfen wird, die sich nicht vorgenommen haben, 130 Jahre alt zu werden, weil sie gar nicht wissen, wovon sie dann leben können. Ihnen wäre bereits geholfen, wenn sie ein durchschnittliches Lebensalter mit weniger Alterskrankheiten erreichen könnten.