Eine Gruppe von Experten der US Preventive Services Task Force riet im Jahr 2009 allen erwachsenen Männern im Alter zwischen 45 und 79 und allen Frauen im Alter zwischen 55 und 79 täglich eine Tablette Aspirin als Prävention gegen eine koronale Herzerkrankung einzunehmen. Die Empfehlungen bezogen sich auf Patienten, die mindestens ein 5 % Risiko haben, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erkranken. Die Expertengruppe ging davon aus, dass so tausende Tode verhindert werden könnten.
Im Mai 2022 sah sich die Gruppe allerdings dazu gezwungen, ihre Aussage zu revidieren. Aktuell empfiehlt sie die Gabe nur noch an Menschen zwischen 40 und 59 Jahren, die ein 10 % Risiko haben, an einer atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankung zu leiden. Das Wissensmagazin Spektrum widmete dem Thema nun einen längeren Bericht.
ASS zur Behandlung schwerer Gefäßerkrankungen
Aspirin – Acetylsalicylsäure (ASS) wurde erstmals 1897 entdeckt und ist seitdem nicht mehr aus der Medizin wegzudenken. Im selben Jahr löste ASS, die bisher verwendete Salicylsäure, als Schmerzmittel ab. Bereits kurz nach der ersten Herstellung wurde ASS auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen. Heute ist das Mittel unter dem Namen Aspirin bekannt und das am weit verbreitetste Analgetikum der Welt.
Das Mittel wird üblicherweise als Granulat oder Tablette eingenommen, dabei ist es besonders wegen der leichten Bekömmlichkeit beliebt, nur wenige Patienten klagen nach der Einnahme von Aspirin über Nebenwirkungen. ASS nimmt 20 % des Marktanteils der frei verkäuflichen Mittel ein.
Bei seiner Wirkung ist ASS, im Gegensatz zu anderen frei verkäuflichen Schmerzmitteln, jedoch nicht nur auf den schmerzlindernden Aspekt beschränkt. Der Wirkstoff hemmt Entzündungen und beugt Blutverklumpungen vor. Umgangssprachlich spricht man von einer blutverdünnenden Wirkung, ganz richtig ist das jedoch nicht. Das Blut wird durch die Einnahme von ASS nicht dünner, es wird lediglich einer Verklumpung von Blutplättchen und Thrombozyten vorgebeugt.
Patienten, die einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten haben, bekommen grundsätzlich gerinnungshemmende Mittel verschrieben. Laut der deutschen Leitlinie für Ärzte wird bei einem leichten Schlaganfall eine Gabe von ASS für 21 bis 30 Tagen empfohlen.
Dabei wird das Mittel nicht nur als Sofort-Maßnahme genutzt, sondern auch als präventives Medikament, um einen weiteren Schlaganfall zu verhindern.
Einnahme von Aspirin mit Risiken verbunden
Die Professorin für Pharmakologie Sonja Keßler erklärt in einem Forschungsbeitrag der Martin-Luther-Universität Halle: „ASS hemmt die Cyclooxygenase-1, ein Enzym, das in den Thrombozyten einen Gerinnungsfaktor produziert.“ Weiter erläutert sie, wie gefährlich eine Gerinnung ist. „Doch in Blutgefäßen, im Gehirn oder im Herzen sind Blutgerinnsel gefährlich“. Eine Verklumpung im Gehirn, bedeutet für den Patienten einen Schlaganfall. Ein sogenannter Thrombus in Herzgefäßen hat einen Herzinfarkt zur Folge.
Ein weiteres Team an Wissenschaftlern, das der Leitung von Inbar Raber unterlag, veröffentlichte in dem Fachmagazin „The Lancet“ bereits 2019 ein Fazit zu den Diskussionen um die präventiven Wirkungen von Aspirin. Darin heißt es »Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ASS tödliche kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten, die noch kein erstes Ereignis hatten, nicht reduziert, aber das Blutungsrisiko erhöht.« Aspirin sollte also nicht eigenhändig als präventives Mittel eingenommen werden. Das beste Präventivmittel sei laut Keßler ein gesunder Lebensstil und kein Medikament.
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