Seit dem 23. März gelten auch in Deutschland strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, die in Frankreich schon eine Woche früher verfügt wurden. Ihr Ziel ist, die Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 zu verlangsamen und somit die exponentielle Ansteckungskurve so weit abzuflachen, dass eine Überlastung der Intensivstationen der Krankenhäuser vermieden wird. Unausgesprochen bleibt dabei die damit unweigerlich verbundene zeitliche Verlängerung der Epidemie. So stellt sich die Frage, wie lange der mit den Ausgangsbeschränkungen verbundene komplette Stillstand wichtiger Sektoren der Wirtschaft durchgehalten werden kann, ohne dass diese am Ende mehr Opfer fordern als die Epidemie, die man damit bekämpfen möchte.
Politisch unvoreingenommenen Beobachtern erscheinen die jetzt verfügten schmerzlichen Einschränkungen bürgerlicher Freiheitsrechte eher als verspätete Überreaktion der Politik nach einer wochen-, wenn nicht monatelangen Verharmlosung der im nur scheinbar fernen China ausgebrochenen Virus-Epidemie. Hätte man früher reagiert, wäre es möglich gewesen, die wenigen mit dem Coronavirus Infizierten zu isolieren statt jetzt die ganze Gesellschaft unter Quarantäne zu stellen. Aber selbst jetzt, nachdem der Epidemie-Zug angefahren ist, gelten die eingeführten Zwangsmaßnahmen längst nicht allen als alternativlos. Die Niederlande, Großbritannien, die USA und nicht zuletzt Schweden setzten zunächst auf das alte Konzept der kontrollierten Durchseuchung von etwa 70 Prozent der Bevölkerung und die dadurch sich einstellende „Herdenimmunität“. Wegen der besonders hohen Infektiosität des neuen Virus und der besonderen Gefährdung älterer Personen mit Vorerkrankungen nahmen die Regierungen der drei erstgenannten Länder davon inzwischen aber wieder Abstand. Denn selbst bei der aus der vollständigen Erfassung der Infizierten auf dem Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ ermittelten Mortalitätsrate von lediglich 0,5 Prozent (http://www.rwi-essen.de/unstatistik/101/) müsste die „Herdenimmunität“ der Bevölkerung mit Hunderttausenden von Todesopfern erkauft werden.
Die beste Strategie, um mit der Covid-19-Epidemie fertig zu werden, besteht nach dem Urteil vieler Fachleute in einer Multiplikation von Schnell-Tests auf das neue Coronavirus und in der Isolation der positiv Getesteten sowie besonders empfindlicher Älterer mit Vorerkrankungen. Gleichzeitig müssten alle, die sich noch in der Öffentlichkeit bewegen können, Atemschutz-Masken tragen, wie das in den asiatischen Ländern üblich ist. In Europa scheiterte dieser Vorschlag an der Kurzsichtigkeit der Regierungen und Sozialbürokratien, die kaum Masken vorhielten. Noch besser wäre eine frühzeitige antivirale Behandlung der Infizierten. Was aber voraussetzt, dass es wirksame antivirale Medikamente gibt. Das schien zunächst nicht der Fall zu sein. Inzwischen haben sich aber verschiedene Mediziner mit realistischen Behandlungsvorschlägen zu Wort gemeldet. So haben Prof. Didier Raoult aus Marseille und sein chinesischer Kollege Zhong Nanshan auf ihre Erfahrungen mit dem Off-Label-Einsatz des ursprünglich in Nazi-Deutschland von BAYER entwickelten Malaria-Medikaments Chloroquin beziehungsweise dessen verträglicheren Analogon Hydroxychloroquin bei der Behandlung verschiedener bakterieller Infektionen verwiesen. Es blieb lange Zeit unklar, wie Chloroquin überhaupt wirkt. Das gilt aber auch für andere Medikamente, die sich als wirksam erwiesen haben.
Inzwischen gibt es Anhaltspunkte dafür, das Chloroquin die Endozytose von Nanopartikeln (einschließlich SARS-CoV-2) blockiert. Das schreiben Tony Y. Hu, Matthew Friemann und Joy Wolfram in einem am 23. März in „Nature Nanotechnology“ erschienenen Artikel (https://www.nature.com/articles/s41565-020-0674-9?utm ). Chloroquin beziehungsweise Hydroxychloroquin verhindert also den Eintritt von Viren in die Zellen. Das gilt aber vermutlich nicht für alle Virustypen. Die Autoren sehen in dem ursprünglich vom Gilead-Konzern für die Bekämpfung der Ebola-Seuche entwickelten Virostatikum Remdesivir, das die für die Vermehrung der Viren notwendige RNA-Polymerase blockiert, eine Alternative. Dieses sicher teure Medikament wird in Deutschland vom Star-Virologen Prof. Christian Drosten von der Berliner Charité favorisiert. Es ist aber noch nicht auf dem Markt und es gibt damit noch kaum praktische Erfahrungen. Nicht erwähnt wird das in Japan von Fujifilm Toyama hergestellte Grippe-Medikament Avigan, von dem die chinesischen Gesundheitsbehörden begeistert sind. Es scheint in Europa noch nicht verfügbar zu sein. Chlroroquin beziehungsweise Hydroxychloroquin hat sich hingegen seit Jahrzehnten weltweit bewährt. Seine durchaus vorhandenen unerwünschten Nebenwirkungen sind überschaubar. Heute schlucken in den von der Malaria heimgesuchten Ländern schätzungsweise eine Milliarde Menschen tagtäglich dieses Medikament. In diesen Ländern ist übrigens die Zahl der an Covid-19 Erkrankten auffallend niedrig (https://www.dreuz.info/2020/03/24/jai-voulu-savoir-si-la-chloroquine-evite-le-coronavirus-chinois-jai-enquete-jai-la-reponse/).
Prof. Raoult hat am Marseiller Hospital „La Timone“ auf eigene Faust damit begonnen, täglich 600 Patienten zu testen und den positiv Getesteten eine Kur mit Hydroxychloroquin in Kombination mit dem ebenfalls uralten Antibiotikum Azithromycin zu verordnen. Das Antibiotikum soll bakterielle Überinfektionen der Lunge verhindern. Chloroquin ist als altes, nicht mehr durch Patent geschütztes Medikament äußerst preiswert. Eine Tablette kostet nur 10 Cent. Die Kombinationstherapie kostet am Tag 3 Euro. Die Erfolgsrate soll bei über 90 Prozent liegen. Das französische Gesundheitsministerium, das Prof. Raoult zunächst als Scharlatan hinstellte und Chloroquin als gefährliche Substanz klassifizierte, hat das Mittel zunächst nur für Schwerstkranke, denen es nichts mehr nützt, empfohlen. Inzwischen musste es dem Druck zahlreicher Mediziner, die die Warnungen des Ministeriums in den Wind schlugen und lieber dem Beispiel Raoults folgten, nachgeben und diese Behandlungsmethode vorübergehend freigeben. Ohnehin steht es den behandelnden Ärzten im Prinzip frei, ihren Patienten auch unkonventionelle Therapien zu verordnen.
Sie dem 22. März läuft auf europäischer Ebene ein klinischer Test mit insgesamt 3.200 freiwilligen Patienten unter dem Namen „Discovery“. Dabei stehen vier Wirkstoffe beziehungsweise Wirkstoff-Kombinationen auf dem Prüfstand: Remdesivir, Lopinavir, das HIV-Medikament Ritonavir in Kombination mit Interferon Beta und schließlich Hydroxychloroquin. Allerdings werden dabei nur Patienten ausgewählt, die bereits an fortgeschrittener Atemnot leiden, während Prof. Raoult darauf hinweist, dass bei diesen Patienten kaum noch Viren nachweisbar sind. Die Verabreichung von Virostatika kommt hier also zu spät. Hydroxychloroquin und andere Virostatika können nicht mehr helfen, wenn die Bronchialschleimhaut bereits zerstört ist und die Lungenfibrose sich ausgebreitet hat. In die Blutgefäße eindringende Bakterien können dann leicht eine Sepsis auslösen. So haben die französische und die europäische Bürokratie dafür gesorgt, dass der groß angelegte Klinische Test nicht zu eindeutigen Ergebnissen führen kann.
Bildquelle: nature nanotechnology
Hallo Edgar,
hier meldet sich Ottos Sohn und Medizinstudent. Oftmals auch Leser verschiedener Deiner Artikel, die mein Vater regelmäßig mit mir teilt.
In Bezug auf Deinen Artikel „Covid-19: Sind strenge Ausgangsbeschränkungen alternativlos?“ vom 27.03.2020 möchte ich Dich auf das arznei-telegramm hinweisen, publiziert am 25. März 2020.
Wogleich ich Deinen einleitenden Bemerkungen im Artikel zustimme, dass die Ausgangsbeschränkungen eventuell hätten verhindert werden können, so hadere ich mit Deinen zukunftsoptimistischen Aussagen über Hydroxychloroquin, solange die Wirksamkeit dieses Medikamentes erst noch in aussagekräftigen, kontrollierten Studien bewiesen werden muss.
Einige Deiner Aussagen stimmen nicht mit dem unten angehängten arznei-telegramm überein.
Drei Punkte:
Du: „Chloroquin beziehungsweise Hydroxychloroquin hat sich hingegen seit Jahrzehnten weltweit bewährt. Seine durchaus vorhandenen unerwünschten Nebenwirkungen sind überschaubar. “
arznei-telegramm: „Die australische Arzneimittelbehörde weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass Hydroxychloroquin aufgrund der begrenzten Daten bei COVID-19 und erheblicher potenzieller Schadwirkungen wie Kardiotoxizität und irreversiblen Sehstörungen außerhalb zugelassener Indikationen derzeit nur in klinischen Studien oder – bei schwer erkrankten Patienten – unter stationären Bedingungen angewendet werden soll. (12)“
Du: Sinngemäß, dass Hydroxychloroquin eine wirksame antivirale Therapie darstellen kann. (Eine definitive Aussage von Dir kann ich nicht zitieren, allerdings scheint es mir zwischen den Zeilen durchzuschwingen.)
arznei-telegramm: „Kaum bekannt scheint zudem zu sein, dass in einer kleinen chinesischen – randomisierten – Studie9 mit 30 Patienten für Hydroxychloroquin (400 mg/Tag über 5 Tage) gegenüber üblicher Therapie allein weder ein signifikanter Vorteil hinsichtlich der Viruselimination im Rachen (primärer Endpunkt; 87% vs. 93%) noch verschiedener klinischer Parameter einschließlich der Zeit bis zur klinischen Besserung nachweisbar ist.9,10“
Du: „diese Behandlungsmethode freigeben“ (trotz unten auf; „Ohnehin steht es den behandelnden Ärzten frei, ihren Patienten auch unkonventionelle Therapien zu verordnen. “ – Dem ist so, allerdings scheint sich eine Knappheit abzuzeichnen, die Kollateralschäden für andere Patienten bedueten würde (wenn man ein Medikament mit nicht sicher nachgewiesener Wirksamkeit einsetzt) siehe
arznei-telegramm: „Obwohl ein klinischer Nutzen von Hydroxychloroquin derzeit also nicht belegt ist, wird das Mittel offenbar verbreitet off label bei COVID-19 eingesetzt: Rheumatologen beklagen bereits, dass die bei Kollagenosen wie Lupus erythematodes unverzichtbare Substanz kaum noch lieferbar sei. (11)“
Du: „Allerdings werden dabei nur Patienten ausgewählt, die bereits an fortgeschrittener Atemnot leiden, während Prof. Raoult darauf hinweist, dass bei diesen Patienten kaum noch Viren nachweisbar sind. Die Verabreichung von Virostatika kommt hier also zu spät. Hydroxychloroquin und andere Virostatika können nicht mehr helfen, wenn die Bronchialschleimhaut bereits zerstört ist und die Lungenfibrose sich ausgebreitet hat. In die Blutgefäße eindringende Bakterien können dann leicht eine Sepsis auslösen. So haben die französische und die europäische Bürokratie dafür gesorgt, dass der groß angelegte Klinische Test nicht zu eindeutigen Ergebnissen führen kann. “
arznei-telegramm: „Zu Beginn – etwa während der ersten zehn Tage – ist SARS-CoV-2 im Rachen nachweisbar. Danach findet sich das Virus dort nur noch unregelmäßig.6,8 Mit dem klinischen Verlauf von COVID-19 hat dies jedoch nichts zu tun. In der Lunge vermehrt sich das Virus vor allem bei schwerer Erkrankung zu diesem Zeitpunkt weiterhin.6“
Hoffentlich kannst Du meine Kritik nachvollziehen und vielleicht ergibt sich in nächster Zeit ein Fazit, ob die antiviralen Medikamente ausreichend wirken oder nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Hanno
Gesendet: Samstag, 28. März 2020 um 00:41 Uhr
COVID-19: WAS IST ZUM NUTZEN VON CHLOROQUIN UND HYDROXYCHLOROQUIN BEKANNT?
Am 17. Februar 2020 gab die chinesische Staatsregierung in einer Pressekonferenz bekannt, dass das Malariamittel Chloroquin (nur noch als Import: RESOCHINA von Beragena u.a., derzeit jedoch alle nicht lieferbar) in mehreren klinischen Studien bei Lungenentzündungen, die mit COVID-19 assoziiert sind, eine gute Wirksamkeit und akzeptable Verträglichkeit gezeigt habe. Erwähnt werden Daten von mehr als 100 Patienten, die auf eine Überlegenheit von Chloroquin gegenüber einer – nicht näher beschriebenen – Kontrolltherapie im Hinblick auf Fortschreiten der Pneumonie, Verbesserung radiologischer Befunde und Verkürzung des Krankheitsverlaufs weisen sollen.1 Veröffentlicht sind diese Studien bislang nicht.
Aus In-vitro-Untersuchungen ist schon länger bekannt, dass Chloroquin die Replikation verschiedener Coronaviren einschließlich des SARS*-Virus hemmt.2 Inzwischen wurde dies auch für das neue SARS-CoV-2 nachgewiesen.3 Das mit Chloroquin eng verwandte Hydroxychloroquin (QUENSYL, Generika) hemmt in der Zellkultur ebenfalls die Vermehrung von SARS-CoV-2, wobei der Effekt im Vergleich zu Chloroquin in einer Untersuchung4 stärker und in einer weiteren5 schwächer ausgeprägt zu sein scheint. Klinische Wirksamkeit lässt sich aus solchen Daten allerdings nicht ableiten, unter anderem weil sie keine Rückschlüsse auf die im Gewebe erzielten Wirkstoffkonzentrationen erlauben, die für einen therapeutischen Effekt entscheidend sind.6
Französische Forscher haben jetzt eine klinische Studie7 vorveröffentlicht, in der sie erste Daten zum Effekt von Hydroxychloroquin auf SARS-CoV-2 beschreiben. Sie haben dabei allerdings weder ein randomisiertes Design noch einen klinischen Endpunkt gewählt, sondern untersuchen primär den Anteil der Patienten, bei denen sechs Tage nach Studieneinschluss im Rachenabstrich kein Virus mehr nachweisbar ist. Insgesamt 42 Patienten ab zwölf Jahren mit positivem nasopharyngealen PCR-Test nehmen teil, unabhängig von ihrem klinischen Status. 26 Patienten der eigenen Klinik erhalten zehn Tage lang dreimal täglich 200 mg Hydroxychloroquin. Von den 26 scheiden 6 Patienten vorzeitig aus, unter anderem weil sie auf die Intensivstation verlegt werden (n = 3) oder sterben (n = 1), sie werden von der Analyse ausgeschlossen. Die 16 Teilnehmer der Kontrollgruppe stammen entweder aus der gleichen Klinik und dürfen Hydroxychloroquin wegen Kontraindikationen nicht einnehmen oder lehnen dies ab, oder sie kommen aus anderen Krankenhäusern. Alle Studienteilnehmer erhalten eine symptomatische Therapie und ggf. Antibiotika zur Prophylaxe bakterieller Superinfektionen nach klinischer Einschätzung der Prüfärzte. Details dazu werden nicht beschrieben.7
Zwischen den beiden Gruppen fallen erhebliche Unterschiede auf: Die Patienten der Verumgruppe sind deutlich älter (im Mittel 51,2 Jahre versus 37,3 Jahre, p = 0,06), weisen bei Studienbeginn häufiger eine Beteiligung der tiefen Atemwege auf (6 [30%] vs. 2 [12,5%]) und sind eingangs seltener asymptomatisch (2 [10%] vs. 4 [25%]).7 Nach Einschätzung des Virologen und Corona-Experten Christian DROSTEN legen diese Daten nahe, dass sich die Kriterien für eine stationäre Aufnahme in den Krankenhäusern unterschieden haben dürften und dass der Krankheitsverlauf bei den Patienten der Hydroxychloroquin-Gruppe bei Studieneinschluss wahrscheinlich weiter fortgeschritten war.6 Das Ergebnis, dass an Tag 6 unter Hydroxychloroquin der Anteil der Patienten ohne Virusnachweis im Rachenraum größer ist als in der Kontrollgruppe (70% vs. 12,5%),7** spiegelt seiner Ansicht nach daher lediglich den natürlichen Verlauf der Infektion wider:6 Zu Beginn – etwa während der ersten zehn Tage – ist SARS-CoV-2 im Rachen nachweisbar. Danach findet sich das Virus dort nur noch unregelmäßig.6,8 Mit dem klinischen Verlauf von COVID-19 hat dies jedoch nichts zu tun. In der Lunge vermehrt sich das Virus vor allem bei schwerer Erkrankung zu diesem Zeitpunkt weiterhin.6
Kaum bekannt scheint zudem zu sein, dass in einer kleinen chinesischen – randomisierten – Studie9 mit 30 Patienten für Hydroxychloroquin (400 mg/Tag über 5 Tage) gegenüber üblicher Therapie allein weder ein signifikanter Vorteil hinsichtlich der Viruselimination im Rachen (primärer Endpunkt; 87% vs. 93%) noch verschiedener klinischer Parameter einschließlich der Zeit bis zur klinischen Besserung nachweisbar ist.9,10
Obwohl ein klinischer Nutzen von Hydroxychloroquin derzeit also nicht belegt ist, wird das Mittel offenbar verbreitet off label bei COVID-19 eingesetzt: Rheumatologen beklagen bereits, dass die bei Kollagenosen wie Lupus erythematodes unverzichtbare Substanz kaum noch lieferbar sei.11 Nach Auskunft einer von uns befragten Apotheke ist Hydroxychloroquin aktuell nur noch von Aristo erhältlich. In Australien wurde die Neuverordnung daher jetzt eingeschränkt. Die australische Arzneimittelbehörde weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass Hydroxychloroquin aufgrund der begrenzten Daten bei COVID-19 und erheblicher potenzieller Schadwirkungen wie Kardiotoxizität und irreversiblen Sehstörungen außerhalb zugelassener Indikationen derzeit nur in klinischen Studien oder – bei schwer erkrankten Patienten – unter stationären Bedingungen angewendet werden soll.12
Die vermeintlich positiven Daten werden auch auf Chloroquin übertragen, dessen Produktion die Firma Bayer eigentlich Ende 2019 eingestellt hatte. Inzwischen wurde sie wieder hochgefahren.13 Neben Deutschland, das laut Bundesgesundheitsminister Jens SPAHN „bereits größere Mengen Chloroquin reserviert“ hat,14 sollen auch die USA „Millionen“ Dosen bestellt haben, so Präsident Donald TRUMP.15
In Deutschland und anderen Ländern sollen Studien zum Nutzen von Chloroquin und Hydroxychloroquin in Kürze beginnen. Auch die WHO, die die mangelnde Qualität bisheriger Studien zu COVID-19-Medikamenten beklagt, will jetzt eine große mehrarmige Studie („SOLIDARITY“) auflegen, in der neben Chloroquin und Hydroxychloroquin das antiviral wirkende Remdesivir sowie die bei HIV verwendete Kombination aus Lopinavir und Ritonavir (KALETRA u.a.) untersucht werden sollen.16 Letztere beeinflusst in einer aktuell publizierten randomisierten Studie mit 199 hospitalisierten, an COVID-19 erkrankten Patienten Krankheitsverlauf und Sterblichkeit gegenüber Standardversorgung allein allerdings nicht signifikant.17
Ein klinischer Nutzen von Chloroquin und Hydroxychloroquin bei Infektionen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 ist bislang nicht belegt. Beide sollten derzeit zur Therapie von COVID-19 nur im Rahmen klinischer Studien verwendet werden – auch um einer Verknappung des für die Behandlung von Kollagenosen wichtigen Hydroxychloroquin zu begegnen, –Red.
(R = randomisierte Studie)
1
GAO, J. et al.: Biosci. Trends 2020; 14: 72-3
2
COLSON, P. et al.: Int. J. Antimicrob. Agents, online publ. am 4. März 2020, doi: 10.1016/j.ijantimicag.2020.105932
3
WANG, M. et al.: Cell Res. 2020; 30: 269-71
4
YAO, X. et al. : Clin. Infect. Dis., online publ. am 9. März 2020; doi: 10.1093/cid/ciaa237
5
LIU, J. et al.: Cell Discov., online publ. am 18. März 2020; doi: 10.1038/s41421- 020-0156-0
6
DROSTEN, C.: Coronavirusupdate Folge 17. NDR Info vom 19. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=adel
7
GAUTRET, P. et al.: Int. J. Antimicrob. Agents, Vorveröffentlichung vom 20. März 2020, doi: 10.1016/j.ijantimicag.2020.105949; http://www.a-turl.de/?k=eezd
8
WOELFEL, R. et al.: Virological assessment of hospitalized cases of coronavirus disease 2019. Vorveröffentlichung vom 8. März 2020, doi: 10.1101/2020.03.05.20030502; http://www.a-turl.de/?k=eits
9
CHEN, J. et al.: J. Zhejiang Univ. (Med. Sci.), März 2020, doi: 10.3785/j.issn.1008-9292.2020.03.03 (chinesisch, zitiert nach Abstract)
10
WHO: R & D Blueprint COVID-19 (Entwurf), Stand 13. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=demi
11
JUCHE, A.: Persönliche Mitteilung vom 23. März 2020
12
TGA: Sicherheitsinformation vom 24. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=rafl
13
MÖTHRATH, C.: Bayer: Neue Chance für RESOCHIN, Apotheke adhoc vom 21. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=oppa
14
aerzteblatt.de vom 18. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=rfts
15
DENKLER, T.: Süddeutsche Ztg. vom 21. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=osec
16
ZINKANT, K.: Süddeutsche Ztg. vom 25. März 2020; Seite 14
R
17
CAO, B. et al.: N. Engl. J. Med., online publ. am 20. März 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2001282
18
T-Online vom 24. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=ltst
*
SARS = schweres akutes respiratorisches Syndrom
**
Die Autoren heben zudem hervor, dass alle 6 Patienten der Hydroxychloroquin-Gruppe, die zusätzlich das Makrolid Azithromycin (ZITHROMAX, Generika) erhalten haben, virusfrei waren gegenüber 8 von 14 Patienten (57%) unter Hydroxychloroquin allein, und vermuten einen synergistischen Effekt.7 Ein Nutzenbeleg für die Kombination bei COVID-19, für die Donald TRUMP in den USA bereits geworben hat,18 lässt sich aus diesen Daten nicht ableiten.
© 2020 arznei-telegramm, publiziert am 25. März 2020
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