Die Bürger zahlreicher Staaten sind dieser Tage dazu aufgerufen, den Kontakt mit den Mitmenschen möglichst einzuschränken. So hilfreich die Maßnahmen für die Eindämmung von Covid-19 sein mögen – unterschiedliche Studien zeigen auf, dass eine Isolation durchaus belastend für die Psyche sein kann. Ein Überblick.
Eva-Lotta Brakemeier, Lehrstuhlinhaberin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Greifwald, ist überzeugt davon, dass die Corona-Pandemie auch eine psychologische Krise ist, und die Psyche zahlreicher Menschen in Mitleidenschaft zieht. Gegenwärtig betreut sie eine Studie im Kontext der Corona-Krise, um zu erforschen, wie sich die letzten Wochen und Monate auf die Menschen ausgewirkt haben. Obgleich die Studienergebnisse noch nicht vorliegen, vermitteln vergangene Erhebungen ein Bild davon, welche Folgen eine soziale Isolation nach sich ziehen kann.
Bereits während anderer Ausnahmesituationen versuchten Forscher zu ergründen, was das geringe Maß an sozialer Interaktion mit dem Seelenleben macht. Dies geschah beispielsweise während Sars, Ebola sowie anderen hochinfektiösen Krankheiten, die eine Quarantäne notwendig machten. Die Liste der Nebenwirkungen ist lang: von posttraumatischen Belastungsstörungen oder Depressionen, bis hin zu Erschöpfungszuständen, emotionalen Instabilitäten, einer verringerten Konzentrationsfähigkeit, bis hin zu Angst und Schlaflosigkeit. In unterschiedlichen Studien zeigte sich ferner, dass die Symptome durchaus zeitversetzt auftreten und sich auch erst nach der Quarantäne-Phase akut zeigen können.
Entzündungsreaktionen des Körpers
Eine Meta-Analyse förderte nun zutage, dass sich die Isolation auch ganz konkret auf den Körper auswirken kann: „Einsamkeit und soziale Isolation erhöhen das Risiko für einen schlechteren Gesundheitszustand. Forscher vermuten, dass sie unter anderem die Entzündungsreaktionen des Körpers beeinflussen“, so Kimberley Smith von der University of Surrey.
Auswertungen von Smith und Kollegen zeigten, dass mit Phasen der sozialen Isolation eine höhere Konzentration des sogenannten C-reaktiven Proteins verbunden ist. Jene Substanz, welche die körpereigene Immunabwehr bei der Bekämpfung von Erregern unterstützt und als Indikator für Entzündungen im Organismus gilt. Weiterhin trat ein Zusammenhang mit Fibrinogen zutage, einem Proteinkomplex, welches an der Bildung von Blutgerinnseln beteiligt ist.
Unterdessen gibt es Hinweise darauf, dass sich die aktuelle Phase besonders auf die Entwicklung von Kindern auswirken könnte. So betont Psychologin Sabina Pauen, dass Kinder womöglich stark durch die Erlebnisse während der Corona-Krise geprägt werden. Insbesondere den Eltern komme hierbei eine wichtige Rolle zu: „Die Eltern müssen selbst Taktgeber für die Kinder werden, ihnen helfen, einen neuen Rhythmus zu finden“. Es sei daher aktuell wichtiger denn je, dass die Erwachsenen mit gutem Vorbild vorangehen, da sich eigener Stress auch auf die Kinder übertrage. Die Auswirkungen auf Kinder könnten demnach nicht zuletzt deshalb schwerwiegender sein, da diese mitunter kognitiv nicht dazu in der Lage seien, zu verstehen, weshalb die Freunde auf einmal nicht mehr da sind.
Hilfreiche Maßnahmen während häuslicher Isolation und Quarantäne
Die Psychologische Hochschule Berlin veröffentlichte ein Schreiben mit Hinweisen darauf, wie die außergewöhnliche Zeit besser gemeistert werden könne. Demnach ist es wichtig, auch weiterhin eine Tagesstruktur einzuhalten. Weitere genannte Punkte sind ein dosierter und bewusster Medienkonsum sowie die Pflege sozialer Kontakte über die Distanz. Wichtig sei es zudem, auch während der Quarantäne Sport und Bewegung nicht zu vernachlässigen, da dies erwiesener Weise eine positive Auswirkung auf die Psyche habe.
Insgesamt legen unterschiedliche Erhebungen und Experten-Meinungen negative Auswirkungen einer Isolation nahe. Gleichwohl, so der Stand der Forschung, scheint es für eine Aufhebung der Maßnahmen zu früh zu sein. Optimisten könnten hingegen darauf bauen, dass die Krisensituation das Zusammengehörigkeitsgefühl trotz physischer Distanz und damit die Resistenz stärkt – analog zu Émile Durkheim, der im Jahr 1897 formulierte, dass sogar die Selbstmordrate in Kriegs- und Krisenzeiten sinkt.