Eine schlechte Kommunikationsstrategie zum Ersatz von Schilddrüsenhormonen löst in Frankreich Kontroversen aus.
Viele Stoffwechselprozesse beruhen auf den Schilddrüsenhormonen, dazu gehören u.a. der Energieverbrauch, die Herzfrequenz und die Gewichtszunahme. Diese Hormone regulieren auch Stimmungen und die Konzentration. Eine Schilddrüsenfehlfunktion hat daher schwerwiegende negative Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Das Medikament Levothyroxin – eine chemisch hergestellte Nachahmung des Schilddrüsenhormons – wurde entwickelt, um solche Komplikationen zu verhindern. In Frankreich verwenden drei Millionen Menschen Levothyrox – ein Medikament, das von Merck & Co, einem der größten Pharmaunternehmen der Welt, hergestellt wird. Bis Mai 2017, als Merck ein neues Medikament auf den Markt brachte, war es das einzige Medikament gegen solche hormonellen Störungen.
Diese Veränderung am Markt wurde von einigen Patienten sehr schlecht aufgenommen, die sich über viele neue unangenehme Nebenwirkungen beschwerten. Die Herstellung des früheren Medikaments Levothyrox sollte ab 2018 eingestellt werden und das Medikament würde im folgenden Jahr nicht mehr in den Verkauf gelangen. Dies beunruhigte die Patienten, die an den Nebenwirkungen litten und führte zum Glauben, dass das neue Medikament mangelhaft sei. Die Medien reagierten schnell auf die Nachricht, allerdings in falscher Voreingenommenheit. In Wirklichkeit verdarb das Originalmedikament recht schnell. Als Konsequenz fielen mit der Zeit auch die darin enthaltenen Hormonspiegel drastisch ab. Auch wenn die Patienten dachten, sie würden 50 μg einnehmen, nahmen sie in Wirklichkeit weniger Hormone ein. Daher wurde eine neue Wirkstoffformel entwickelt, um das Medikament zu stabilisieren.
In der neuen umstrittenen Formel wurde im Medikament die Laktose durch Zitronensäure ersetzt. Als Folge sank die im Medikament enthaltene Dosis nicht mehr ab – ein Erlebnis, was für die Patienten ganz neu war. Sie nahmen unwissentlich höher dosierte Mengen an Hormonen ein, was die unerwünschten Nebenwirkungen auslöste. Angesichts der öffentlichen Empörung stimmte Merck zu, weitere 100.000 neue Schachteln der älteren Version des Medikaments zu produzieren, um Patienten während der Übergangsphase zur Seite zu stehen. Diese Herstellung soll Anfang 2018 abgeschlossen sein, sagt das Unternehmen.
Dies hat jedoch die wütenden Patienten nicht zum Schweigen gebracht, die immer noch verlangen, dass das alte Medikament zukünftig verkauft wird. Und es ist leicht zu verstehen, woher ihre Wut kommt: Als Folge einer schlechten Kommunikation haben sie unwissentlich zu viele Hormone eingenommen – mit schwerwiegenden negativen Folgen. Ihre Wut sollte sich jedoch eher an die französische Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten richten, welche das neue Medikament genehmigt hat, ohne über die Folgen zu warnen, die es möglicherweise bei kranken Menschen haben könnte.
Im Jahr 2015 sah sich Belgien einem ähnlichen Fall von Arzneimittelstabilität ausgesetzt, der durch ein eigens hergestelltes Schilddrüsenhormon-Medikament ausgelöst worden war. Die Arzneimittelformel wurde dann erfolgreich mit staatlicher Unterstützung geändert – und eine öffentliche Medienkampagne warnte Patienten. Die Patienten konnten sogar von einer speziellen Übergangszeit profitieren und es kam zu keinerlei Kontroversen. In Frankreich jedoch, wo solche Maßnahmen nicht vorgesehen waren, verursachte der Mangel an entsprechenden Informationen einen auf Verschwörungstheorien beruhenden Aufschrei.
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