Der Darm rückte im letzten Jahrzehnt immer weiter in den Fokus der Wissenschaft. Neben gesundheitlichen Fragen möchten die Forscher auch der Frage auf den Grund gehen, wie sich das Verdauungssystem während der Evolution des Menschen entwickelt hat. Fest steht, dass jedes Darmmikrobiom so einzigartig zu sein scheint wie der dazugehörige Mensch. Einige Mikroben-Spezies sind weitverbreitet, andere findet man im menschlichen Darm nur sporadisch. Das macht den menschlichen Darm zu einem einzigartigen Ökosystem aus Organismen. Forscher fanden nun heraus, dass es eine geschichtliche Verknüpfung zwischen der Entstehung der Menschen und ihrer Darmflora gibt.
Rückschlüsse auf die Entwicklungsgeschichte der Mikroben
Das Forschungsteam unter Leitung des Max-Plancks-Institutes in Tübingen untersuchte die Theorie, dass sich bestimmte Darmmikroben und Stämme mit den Menschen über die Erde ausbreiteten und weiterentwickelten. Für die Studie wurden zahlreiche Proben genommen.
Um eine sogenannte Co-Diversifizierung zu bestätigen, untersuchten und sequenzierten die Wissenschaftler eine Vielzahl an Bakteriengenomen, die von insgesamt 1225 Personen stammten. Die Herkunft der Menschen war dabei weit gestreut, sie hatten ihre Wurzeln in Asien, Europa und Afrika.
Die Untersuchungen zeigten, dass sich bei 60 % der untersuchten Mikrobenarten, eine parallele Entwicklung zu der Herkunft der Menschen abbilden ließ. Daraus kann geschlossen werden, dass sich die Mikroben über Jahrtausende hinweg im menschlichen Darm parallel zum Menschen entwickelten und auf der Erde ausbreiteten. Diese aussagekräftigen Ergebnisse erzielten die Wissenschaftler, indem sie aus 59 Mikroben-Arten einen Stammbaum entwickelten, welchen sie dann mit dem der Menschen verglichen.
Mikroben sind abhängig vom menschlichen Darm
Bei den Untersuchungen zeigte sich ebenfalls ein interessantes Muster, bei der Abhängigkeit der Mikroben. Seniorautorin Ruth Ley vom Max-Planck-Institut sagt: „Bemerkenswert ist auch, dass diejenigen Stämme, die unserer Entwicklungsgeschichte am engsten gefolgt sind, nun am meisten von der Darmumgebung abhängig sind“.
Durch die parallele Entwicklung seien sie so stark an den menschlichen Darm gebunden, dass sie sich von ihm abhängig gemacht haben. Sie reagieren bereits auf kleine Abweichungen, wie Temperaturschwankungen, die nicht dem menschlichen Darmtrakt entsprechen. „Diese Mikroben befinden sich sozusagen irgendwo im Spektrum von ‚freilebend‘ bis hin zu abhängig von der menschlichen Körperumgebung. Wir konnten zeigen, dass einige Darmbakterien des Menschen in diesem Spektrum weiter in Richtung irreversibler Abhängigkeit gekommen sind als bisher angenommen.“
Ergebnisse sind von großer Bedeutung
In ihrer veröffentlichten Studie heben die Wissenschaftler hervor, dass die Untersuchungsergebnisse einen großen medizinischen Nutzen haben könnten. Sie können sich vorstellen, dass Patienten, die unter einer ungesunden Darmflora leiden, von einer Medikation mit ganz bestimmten Darmmikroben profitieren könnten. Die Forscher schreiben dazu: „Das Mikrobiom ist ein therapeutisches Ziel für die personalisierte Medizin und unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung eines bevölkerungsspezifischen Ansatzes für mikrobiombasierte Therapien“.
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