Chronische Schmerzen sind weltweit ein verbreitetes Krankheitsbild. Etwa jeder fünfte Mensch sei davon betroffen, berichten Forscher der Universität Sydney. In einigen Ländern werden in hohem Maße Antidepressiva zur Behandlung des Krankheitsbildes verschrieben. Eine neue Studie zeigt aber nun, dass Antidepressiva gegen die meisten chronischen Schmerzen nicht besonders wirksam sind.
Nebeneffekte anstelle von Linderung
Die Studie, die im BMJ Fachmagazin erschien, trägt wissenschaftliche Funde über die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Antidepressiva zur Behandlung von Schmerzen zusammen. Das Team unter der Leitung von Giovanni Ferreira von der Universität Sydney studierte 26 Übersichtsarbeiten zum Thema. Dafür wurden kontinuierlich Schmerzwerte von über 25.000 Probanden in eine Skala eingeteilt und verglichen. Zu den untersuchten Krankheitsbildern gehörten unter anderem Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Gelenkschmerzen.
Die Ergebnisse zeigen, dass keine der Arbeiten sichere Belege für die Wirksamkeit von Antidepressiva zur Behandlung der chronischen Beschwerden bei Erwachsenen liefern konnte. Nur bei neun Erkrankungen konnten mäßige schmerzhemmende Wirkungen festgestellt werden. So zum Beispiel auch bei Rückenschmerzen. Bei 31 Erkrankungen jedoch waren die Medikamente entweder nicht wirksam oder nicht schlüssig. So können Antidepressiva eher schädliche Nebeneffekte aufweisen.
„Diese Erkenntnisse legen nahe, dass bei der Verschreibung von Antidepressiva bei Schmerzzuständen ein differenzierterer Ansatz erforderlich ist“, so Ferreira. „Der Nutzen dieser Medikamente bei chronischen Schmerzen ist begrenzt, und die potenziellen Schäden überwiegen den geringen Nutzen“.
Differenzierte Ansätze bei der Behandlung gefordert
Jüngste Daten deuten sogar darauf hin, dass bei älteren Menschen chronische Schmerzen der häufigste Grund für die Verschreibung eines Antidepressivums sei – sogar noch häufiger als Depressionen. Und die Tendenz sei eher noch steigend, denn gerade bei diesen Beschwerden kommt eine Langzeiteinnahme dieser Medikamente häufig vor.
Das internationale Team fordert daher die Bereitstellung eines umfassenden Überblicks über die Verträglichkeit von Antidepressiva je nach Erkrankung. Differenzierte Therapiemöglichkeiten und das Einbinden von Bewegung und Physiotherapie seien eine Alternative zu einer rein medikamentösen Behandlung. Schmerzmittel sollten nur als Teil der Lösung betrachtet werden und die Autoren der Studie raten Betroffenen, mit einem Arzt gemeinsam den individuellen Nutzen und möglichen Schaden einer solchen Behandlung abzuwägen. „Wir möchten Kliniker, Forscher und politische Entscheidungsträger ermutigen, sich dieser Vorbehalte bewusst zu sein, wenn sie unsere Übersichtsarbeit lesen und den Einsatz von Antidepressiva zur Schmerzbehandlung in Erwägung ziehen“, so Ferreira.