Forschern ist es gelungen, mit einem Implantats und elektrischer Stimulation, einem Mann mit Querschnittslähmung wieder erste Schritte zu ermöglichen. Das brauchte vor allem auch die Kraft und den Willen der Patienten. Das Team von Wissenschaftlern an der Mayo Clinic in Rochester im US-Staat Minnesota veröffentlichte im Fachjournal „Nature Medicine“ beeindruckende Ergebnisse, die sie bereits mit der neuen Technik erzielt haben.
Dank Implantat wieder einen Fuß vor den anderen setzen
Seit seinem Motorradunfall 2013 ist Jered Chinnok von der Taille abwärts gelähmt. Heute kann er das, woran niemand nach dem Unfall geglaubt hat, er kann mit der Unterstützung durch einen Rollator und Therapeuten kleine Schritte machen. Die Hoffnung ist, dass er in Zukunft wieder ganz ohne Hilfe laufen kann. Zu verdanken ist dies einer Technik, die mit einem Implantat unter dem verletzen Rückenmark eine elektrische Stimulation erzeugt. Das Signal überbrückt die Lücke, die durch die Verletzung verursacht wurde. Forschungsleiter Kendall Lee erklärt weiter:“Dadurch gelingt es uns, das Rückenmark direkt zu stimulieren. Wir glauben, dass das sehr wichtig ist, um diese willentliche oder freiwillige Kontrolle wiederzuerlangen.“
Der Wille der Patienten ist entscheidend
Chirugin Charla Fischer findet die Ergebnisse der Studie beachtlich, denn sie könnte manchen Menschen mit Querschnittslähmung Hoffnung geben, doch wieder laufen zu können. Dafür braucht es aber Vorbereitung, ganze sechs Monate wurde zunächst die Beinmuskulatur stimuliert, bis Jered Chinnok das Implantat eingesetzt bekam. Jetzt muss er fünf bis sechs Tage die Woche täglich für mehrere Stunden tranieren. Unterstützung bekommt er von seiner Physiotherapeutin, die heute seine Frau ist, und die ihn immer wieder antreibt. Eine weitere Studie von Forschern der Universität Louisville berichtet im „New England Journal of Medicine“ über vier Patienten mit Querschnittslähmung, die auch mit Elektrostimulation behandelt worden waren. Nach intensivem Training konnten alle vier wieder selbstständig stehen und zwei wieder einige Schritte. Die Forscher bemerkten, dass nicht nur die elektrische Stimulation, sondern vor allem mentale Aspekte eine Rolle spielen. Die Patienten mussten sich gedanklich fest vornehmen einen Schritt zu machen. Sobald dies nicht geschah, konnten sie ihre Beine wieder nicht mehr bewegen.
Es braucht mindestens zwei Stimulationen, um einen Schritt nach vorne machen
Als die Wissenschaftler anfingen, Beinmuskeln mit Elektroimpulsen zu stimulieren, stellten sie fest, das ein einzelnes Stimulationsmuster nicht ausreichend war. So entwickelten sie ein Muster, bei dem zwei verschiedene Stimulationen, die es aufgrund ihrer Verzahnung möglich machen, die verschiedenen Phasen eines Schrittes zu durchlaufen. Nun muss die Technik an vielen weiteren Probanden erprobt werden, um ihre Wirksamkeit zu bestätigen oder zu widerlegen. Der Direktor der Klinik für Paraplegiologie Norbert Weidner, hält den beobachteten Effekt auf die Patienten wissenschaftlich für sehr interessant, auch wenn es sich bisher um Einzelfälle handelt. Allerdings räumt er gegenüber der Deutschen Presseagentur auch ein, dass der Patient damit trotzdem nicht in der Lage sei, seinen Alltag zu bewältigen. „Es ist außerdem ein spezieller Patient, so dass fraglich ist, inwiefern andere querschnittgelähmte Patienten in gleicher Weise trainiert werden können“, erklärte er weiter. Weil es keine Rückkopplung über die Beinstellung gibt, sieht er in der neuen Technik vor allem eine Chance, für Menschen, die nicht vollständig gelähmt sind. Auch Jocelyne Bloch vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne (Schweiz) betrachtet die Ergebnisse der Studie mit Vorsicht. „Er kann mit viel Hilfe ein paar Schritte gehen – aber es gab keine neurologische Heilung. Doch im Labor einige Schritte zu tun, bedeutet nicht, dass das auch zu Hause und im Alltag klappt und das Leben verändert. Wir sollten also wortwörtlich einen Schritt zurücktreten und die Ergebnisse in der Realität betrachten.“