Bild: University of Hongkong
Keine Frage: Die im Dezember 2019 in Zentralchina ausgebrochene Coronavirus-Epidemie ist viel schlimmer als zunächst befürchtet. Immer mehr Epidemiologen gehen wie ihr bekannter britischer Kollege Neil Ferguson vom Londoner Imperial College oder Christian Drosten von der Berliner Charité davon aus, dass eine Grippe-ähnliche Pandemie kaum noch zu verhindern ist. Der bekannte Epidemiologe Gabriel M. Leung schätzt, dass das neue Virus bis zu 60 Prozent der Weltbevölkerung befallen könnte. Selbst wenn davon nur ein Prozent sterben sollte, würde das die Influenza-Pandemie von 1919 („Spanische Grippe“), an der schätzungsweise 50 Millionen Erdenbürger starben, weit in den Schatten stellen. Bestätigt wurde diese Befürchtung, als an diesem Wochenende bekannt wurde, dass sich in Norditalien zwischen Mailand und Venedig ein neuer Infektionsherd mit über 300 Infizierten gebildet hat, dem inzwischen bereits 10 Patienten zum Opfer gefallen sind. Neben Italien meldeten Chinas Nachbarländer Südkorea, Japan und Iran auffällig hohe Zahlen von Neuinfektionen. Darauf reagierten die Weltbörsen mit einem deutlichen Einbruch. Der deutsche DAX verlor am 24. Februar ganze vier Prozent. Am 25. ging der Abstieg weiter, wenn auch etwas verlangsamt.
Nach Christian Drosten lässt sich die rasche Ausbreitung von SARS-CoV-2 damit erklären, dass es sich, im Unterschied zu seinem Vorgänger von 2003, schon im Rachen vermehren kann und nicht erst in der Lunge. Damit ähnelt SARS-CoV-2 dem normalen Influenza-Virus. Feine Tröpfchen von ausgehustetem Schleim und Speichel finden leicht einen direkten Luftweg von einem Rachen zum andern. Was beunruhigt, ist die Tatsache, dass man in Italien nicht herausgefunden hat, von welcher Person (Patient 0) die Infektionskette ihren Ausgang genommen hat. Das deutet darauf hin, dass es sich sehr wahrscheinlich um eine infizierte Person handelte, die noch keine Krankheitssymptome aufwies. Das hängt auch mit der langen Inkubationszeit des neuen Virus zusammen, die bis zu vier Wochen währen kann. Während dieser Zeit kann das Virus schon übertragen werden. Aus diesem Grund fragte Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Generalsekretär der WHO, am 11. Februar auf einem von der WHO eigens nach Genf einberufenen Experten-Treffen, ob die bislang veröffentlichten Zahlen vielleicht nur der Spitze eines Eisberges entsprechen .
Weshalb ist gerade Italien zum Einfallstor des neuen Virus nach Europa geworden? In einem Interview mit der Turiner Tageszeitung „La Stampa“ hat der von der italienischen Regierung eilig zum Sonderberater in Sachen SARS-CoV-2 ernannte Arzt Walter Ricciardi, der auch für die WHO arbeitet, erklärt, es sei ein schwerer Fehler gewesen, die Direktflüge von und nach China einzustellen. Dadurch seien die Passagiere gedrängt worden, auf indirekte Verbindungen umzusteigen. Niemand habe am Ende gewusst, wer gerade aus China kam. So blieb der „Patient 0“ unerkannt. Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien hielten sich dagegen an die WHO-Empfehlung, den Flugverkehr mit China nicht einzustellen, und hatten es so leichter, Verdachtspersonen zu identifizieren und bei Bestätigung des Verdachts unter Quarantäne zu stellen. Folglich haben die am 25. Februar in Rom versammelten Gesundheitsminister Italiens, Deutschlands, Frankreichs, der Schweiz, Sloweniens, Kroatiens und Österreichs keine generellen Reisebeschränkungen zwischen diesen Nachbarländern beschlossen. Allerdings scheint der deutsche Kompetenzen-Wirrwar in Rom kein Thema gewesen zu sein.
In China selbst wurden bis zum heutigen Tag (25. Februar 2020) 77.650 Infizierte und 2.263 Todesopfer gemeldet. Diese Daten entsprechen auffällig der hier in einem früheren Beitrag bereits zitierten Computersimulation, die Joseph T. Wu und Gabriel M. Leung von der University of Hong Kong im Magazin „Lancet“ veröffentlichten, weil sie den offiziellen chinesischen Zahlen misstrauten. Inzwischen haben die chinesischen Behörden ihre Daten selbst korrigiert. So stellt nun auch die WHO fest, dass die Kurve der in China gemeldeten Neuinfektionen seit Anfang Februar deutlich abflacht. Das deutet darauf hin, dass die Epidemie in ihrem Ursprungsland ihren Höhepunkt bereits überschritten haben könnte. Noch immer ist allerdings unklar, von welchem Herd sie ihren Ausgang nahm. Zunächst wurde der zentrale Huanan-Markt, auf dem neben Meeresfrüchten auch lebende Säugetiere feilgeboten werden, als mögliches Epizentrum der Epidemie ausgemacht. Insbesondere die als Virus-Überträger bekannten Fledermäuse und Schuppentiere gerieten in Verdacht. Doch eine im renommierten Magazin „Lancet“ publizierte chinesische Studie fand, dass 13 der ersten 41 Coronavirus-Patienten niemals auf dem Huanan-Markt waren.
Das verstärkt den nicht nur von Verschwörungstheoretikern in die Welt gesetzten Verdacht, der Ausbruch des Coronavirus SARS-CoV-2 gehe eher auf einen Unfall im nahe gelegenen Hochsicherheitslabor der Stufe 4 zurück. Die chinesischen Behörden würden so etwas wohl nie bestätigen. Doch haben sie indirekt zugegeben, dass dieser Verdacht nicht abwegig ist, weil sie nach dem Virus-Ausbruch die Sicherheitsvorschriften für das Labor verschärft haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass jene recht haben, die SARS-CoV-2 für ein für die biologische Kriegsführung konzipiertes Kunstprodukt halten.