Einem Forscher-Team der Universität Tübingen ist es gelungen, einen vollständig gelähmten Patienten wieder kommunizieren zu lassen. Mithilfe eines Elektroden-Implantats im Gehirn konnten die Wissenschaftler Informationen von ihrem Probanden gewinnen. Wie die Neuro-Mediziner in Nature Communications berichten, haben sie bereits seit dem Jahr 2000 an der Schnittstelle im Gehirn geforscht.
Locked-In-Syndrom: Vollständig gelähmt bei vollem Bewusstsein
Der Patient war ein 34-jähriger Mann, der an Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) erkrankt ist. Die degenerative Nervenkrankheit führt dazu, dass der gesamte Körper nach und nach erlahmt, bis der Mensch in seinem eigenen Körper gefangen ist. Entsprechend ist auch von einem Locked-in-Syndrom die Rede. Dieses kann auch durch Hirntraumata oder schwerwiegende Schlaganfälle ausgelöst werden. Selbst die Augen konnte der Patient nicht länger bewegen, obwohl er bei vollem Bewusstsein war. Dies schloss andere Kommunikationsmöglichkeiten aus, die auf minimalen Bewegungsfähigkeiten der Erkrankten beruhen.
Somit wurden dem Mann Elektroden ins Gehirn eingesetzt, die auf Hirnströme reagierten. Konkret konnte so der Gedanke an die Augenbewegungen gemessen werden, wenn die Schnittstelle an einen PC geschaltet wurde. Dabei war die Kommunikation auf ein simples Schema heruntergebrochen. Über die Befehle ja und nein konnten einzelne Buchstaben oder Satzzeichen über einen Bildschirm ausgewählt werden.
Patient wünscht sich Musik, Gulasch und Bier
Jeder Buchstabe konnte eine Minute oder länger veranschlagen, jedoch konnte der ALS-Erkrankte auf diese Weise wieder eigene Wünsche und Gedanken formulieren. So teilte er den behandelnden Ärzten etwa mit, dass er gerne öfter Augentropfen verabreicht bekommen würde. Auch mit seiner Familie soll er sich entsprechend ausgetauscht haben.
Laut dem Wissenschafts-Portal Futurism soll er zudem gezielte Musikwünsche geäußert haben, wie etwa der Tool-Song Progressiv-Metal. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte sein Essenswunsch, der typisch deutsch nach Gulasch und Bier verlangte.
Forscher gelten aufgrund von früherem wissenschaftlichen Fehlverhalten als umstritten
Die Fallstudie, die mehrere Jahre durchgeführt wurde, ist ein Hoffnungsschimmer für die Behandlung von Locked-In-Patienten. Allerdings stehe die Forschung hier immer noch weitestgehend am Anfang und muss noch diverse Hürden überwinden. So seien etwa die Antworten des Patienten über die Jahre hinweg unklarer und langsamer geworden. Warum ist bislang noch nicht geklärt, jedoch vermuten die Wissenschaftler technische Gründe. So könnten sich etwa die Elektroden abnutzen.
Zudem stammt die Forschung von zwei umstrittenen Figuren der Wissenschaft. Ujwal Chaudhary von der ALS Voice gGmbH und Niels Birbaumer hatten in der Vergangenheit zwei Studien zu Gehirnimplantaten zurücknehmen müssen, da die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ihnen vorwarf, Daten gefälscht zu haben. Die Gehirn-Forscher dürften nun darauf hoffen, sich mit ihrer neuen Arbeit in gewisser Hinsicht rehabilitieren zu können.
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