Stress hat gute und schlechte Seiten. Kurzzeitig regt er uns an, mental und auch körperlich. So ist das Gefühl der „Schmetterlinge im Bauch“ eine Stressreaktion, die wir als angenehm empfinden. Leider lässt sich der negative Stress in unserem Lebensalltag kaum vermeiden. Gefährlich wird er vor allem dann, wenn er chronisch ist. Das schlägt sich auch in unserem Gehirn nieder, wie aktuelle Untersuchungen zeigen.
Eindeutiger Zusammenhand zwischen Stress und psychiatrischen Erkrankungen
Mit der Hilfe bildgebender Verfahren zeigen mittlerweile mehrere Studien, das chronischer Stress krank macht und sogar zu psychiatrischen Erkrankungen führen kann. Das zeigt sich auch an Veränderungen im Gehirn. Die Abweichungen betreffen die Bereiche, in denen Stress und die Reaktionen darauf reguliert werden. Dass ein Zusammenhang zwischen Stress und Veränderungen in bestimmten Hirnregionen besteht, ist visuell sichtbar. Was genau die beobachteten Veränderungen jedoch auslöst, wurde jetzt von Forschern des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München untersucht. Genauer gesagt, haben sie das Zusammenwirken zwischen Stress und dem Blutfluss in bestimmten Gehirnregionen beobachtet. Es gab Indizien, dass der Prozess der Blutflussregulierung bei chronischem Stress in den entsprechenden Bereichen gestört wird. Man hofft mit den Ergebnissen die individuellen Risiken, durch Stress psychiatrisch zu erkranken, genauer bestimmten zu können. Denn der von den Wissenschaftlern untersuchte Prozess der neurovaskulären Kopplung ist genau auf den Stoffwechselbedarf jedes Einzelnen abgestimmt.
Bei Stress wird das Gehirn schlechter durchblutet
Dieser Mechanismus wurde bisher wissenschaftlich noch nicht beschrieben. Er könnte Aufschluss darüber geben, warum Menschen unterschiedlich auf Stress reagieren. Um die Regulation des Blutflusses im Gehirn zu untersuchen, absolvierten 59 Studienteilnehmer einen standardisierten Test. Der war so konzipert, dass er in jedem Fall bei den Teilnehmern Stress auslöst. Um die Reaktionen sichtbar zu machen, setzten die Wissenschaftler die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) ein. Innerhalb von nur wenigen Minuten veränderten sich der Blutfluss der Probanden in bestimmten Bereichen des Gehirns. Die Veränderungen zeigten sich unter anderem im im Hippocampus und präfrontalen Kortex. Mit einer Verortung der Bereiche konnten die Forscher später die Ausschüttung von Stresshormonen vorhersagen.
Stressanfälligkeit ist eine Frage der Anpassung
In weiteren Analysen konnte gezeigt werden, dass es genetische Unterschiede bei der Expression von KCNJ2 gibt. Es handelt sich hierbei um ein menschliches Gen, dass analog begriffen wird zu einem Gen, das auch bei Ratten die neurovaskuläre Kopplung unter Stress reguliert und dabei den Blutfluss verändert. Es ist also eindeutig, dass Stress direkt auf die Durchblutung des Gehirns wirkt, allerdings individuell vom eigenen Stoffwechsel abhängig. Damit könnten manche Menschen schneller psychiatrisch erkanken, als andere. Philipp G. Sämann, der an der Studie mitgewirkt hat, erklärt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass akuter Stress zu einer schnellen, grundsätzlichen Funktionsanpassung des Gehirns führt. Möglicherweise beeinflussen individuelle Unterschiede auf dieser Ebene auch das Risiko, unter chronischem Stress Fehlanpassungen und letztlich psychische Symptome zu entwickeln“.