Am Freitag hat die EU-Kommission in Brüssel das Freilandverbot für eine Reihe hochwirksamer Insektizide beschlossen. Der Grund: Sogenannte Neonicotinoide stehen im Verdacht, schädlich für Bienen zu sein. Das Verbot ist einerseits ein wichtiges Zeichen der EU zum Arten- und Umweltschutz, zum anderen stellt es Landwirte vor große Herausforderungen. Wie gefährlich sind Neonicotinoide für die Artenvielfalt? Und welche Alternativen haben Landwirte nach dem Verbot?
Verbot zum Schutz der Bienen
Bei Neonicotinoide handelt es sich nicht um einen einzelnen Stoff, sondern um eine Stoffklasse der Insektizide, deren Ursprung synthetisch ist. Um ihre Ernte vor Schädlingen zu schützen, setzen Landwirte die Schädlingsbekämpfungsmittel auf ihren Feldern ein. Ihre Wirkung ist effektiv: Die Nervenzellen von Insekten werden angegriffen und lebenswichtige Reizleitungen blockiert. Grund für das aktuelle Verbot der Neoniciotide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid ist ihre schädliche Wirkung für Bienen. Denn während die Vernichtung von Schädlingen erwünscht ist, hat die tödliche Wirkung auf Bienen nicht nur Umweltschützer alarmiert. Laut dem neuen Freilandverbot dürfen die Substanzen von nun an weder als Spritzmittel noch als Saatgutbehandlung eingesetzt werden.
In Gewächshäusern ist der Einsatz nach wie vor erlaubt, teilte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit.
Hoch effektive Insektizide
Die Entwicklung der jetzt verbotenen Neonicotinoide löste einst große Euphorie aus. Die Insektizide sind nämlich hochwirksam im Einsatz gegen Maiswurzelbohrerer, Rapsglanzkäfer oder im Apfelanbau gegen Läuse. Auch zum Schutz von Hopfen, Getreide, im Weinbau werden die Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet. Dabei können die Stoffe nicht nur gespritzt, sondern auch zur Behandlung von Saatgut eingesetzt werden, wobei das Saatgut mit einer giftigen Schutzhülle ummantelt wird, um Schädlinge unter der Erde abzuhalten. Sobald Insekten mit dem Gift in Kontakt kommen, haften sich die synthetischen Mittel direkt an die Rezeptoren der Nervenzellen. Die Weiterleitung von Nervenreizen wird gestört, was für die Insekten den Tod bedeutet.
Die einstige Euphorie klang jedoch ab, als sich zeigte, dass Neonicotinoide nicht nur Schädlinge angreifen, sondern auch für Bienen und andere nützliche Insekten gefährlich ist.
Neonicotinoide haben unerwünschte Nebeneffekte
Im Jahr 2008 wurde dies in Deutschland besonders deutlich. In Baden-Württemberg starben 11.500 Bienenvölker durch behandeltes Saatgut. Die Dosis war zu hoch, verteilte sich bei der Aussaat daher unkontrolliert in der Luft und hatte verheerende Folgen. Doch nicht nur bei unsachgemäßem Einsatz sind Neonicotinoide bedenklich, wie eine Testreihe von Bienenforscher und Neurobiologe Prof. Randolf Menzel an der Freien Universität Berlin deutlich machte. Hierbei wurden Bienen mit einer Zuckerlösung gefüttert. Die eine Hälfte erhielt eine Lösung mit einer nicht tödlichen Dosis Neonicotinoide, die Kontrollgruppe eine reine Zuckerlösung. Um in der Folge ihre Gedächtnisleistung zu testen, wurden die Bienen einem bestimmten Duft ausgesetzt und erhielten zeitgleich Futter. Dadurch sollte der Geruch mit dem Futter assoziativ verknüpft werden. Bei der Überprüfung zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Von den Bienen, die keinem Insektizid ausgesetzt waren, erinnerten sich 80 Prozent an den Duft. Bei den Tieren, die das Schädlingsmittel erhalten hatten, waren es nur noch 20 Prozent.
Welche Möglichkeiten haben Landwirte nun zur Schädlingsbekämpfung?
Für die Landwirtschaft ist das Verbot nicht unproblematisch, denn eines ihrer effektivsten Mittel gegen Schädlinge darf nicht mehr eingesetzt werden. Zwar wurde in Brüssel das Verbot entschieden, eine Alternative wurde aber nicht mitgeliefert.
Eine Möglichkeit wäre der Umstieg auf biologischen Anbau und der Verzicht auf schädliche Insektizide. Dafür braucht es aber auch ein Umdenken der Konsumenten, sagt Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Universität Freiburg, gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Die Verbraucher könnten verstärkt ökologisch produzierte Lebensmittel einfordern und Produkte ablehnen, die in Verbindung mit Pflanzenschutzmitteln stehen. Aber dann müssen wir als Gesellschaft auch die Konsequenzen tragen, also akzeptieren, dass zum Beispiel in Äpfeln auch mal ein Wurm drin ist.“
Eine andere Möglichkeit ist der Rückgriff auf andere Pflanzenschutzmittel. Entweder auf weniger effektive Mittel, die seit Jahrzehnten eingesetzt werden, und deren Unschädlichkeit ebenso wenig sicher gestellt ist. Oder der Einsatz neuer Insektizide, wie zum Beispiel die Wirkstoffe Sulfoxaflor aus der Gruppe der Sulfoximine oder Flupyradifuron aus der Gruppe der Butenolide. Diese Stoffe sind zwar keine Neonikotinoide sind, allerdings sind starke Ähnlichkeiten in der Wirkweise festzustellen. Besonders wichtig ist es jetzt zu herauszufinden, wie genau sich Flupyradifuron auf die Fähigkeiten der Tiere auswirkt. Alexandra-Maria Klein ist jedoch wenig optimistisch: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich jedes Insektizid als schädlich für Bienen herausstellen würde, wenn es denn so intensiv untersucht wird, wie diese drei Stoffe, um die es aktuell geht.“