Der erbitterte Streit um den Einsatz von Glyphosat ist in der EU noch nicht beendet. Auch wenn sich viele Politiker gegen das umstrittene Herbizid entschieden haben, ist ein komplettes Verbot auf EU-Ebene nicht in Sicht. Neben Glyphosat werden in der Landwirtschaft eine ganze Reihe andere chemische Stoffe zur Vernichtung von Unkraut eingesetzt. Jetzt warnen Forscher erneut vor dem leichtsinnigen Einsatz von sogenannten Herbiziden.
Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Unkrautvernichtungsmittel eine ähnliche Wirkung bei der Entwicklung von Resistenzen aufweisen wie Antibiotika. Die chemischen Stoffe werden schnell unschädlich und es werden immer neue Schutzmittel benötigt, um Schädlinge abzuwehren. Das hat mitunter verheerende Auswirkungen. Forscher der Universität von Sheffield kamen unter der Leitung von Ökologe Robert Freckleton zu beunruhigenden Ergebnissen. Die Untersuchungen widmeten sich dem Acker-Fuchsschwanzgras und die Wirksamkeit von Herbiziden. Denn aus dem Unkraut ist in Europa eine echte Bedrohung für die Landwirtschaft geworden. Ein Ernteverlust von 50 % ist keine Seltenheit.
Die Entstehung eines Superunkrauts
In dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Papier wird von dem großen Einsatz von Herbiziden massiv abgeraten. Mehr als 130 Ackerflächen wurden von dem Ökologen-Team in England untersucht. In allen Fällen wurden die Herbizide Cycloxydim, Metsulforon-Methyl und Fenoxaprop zur Bekämpfung des unbeliebten Unkrauts verwendet. Alle drei Unkrautvernichtungsmittel werden auch von deutschen Landwirten zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Um den langfristigen Einfluss von Herbiziden auf das Unkraut bestimmen zu können, wurden Untersuchungen im Abstand von Jahrzehnten unternommen. Zusätzlich führten die Forscher direkte Resistenztests an einzelnen Pflanzen durch.
Herbizide vernichten unerwünschte Pflanzen, in dem sie in deren biochemische Prozesse eingreifen. Das hat aber einen unerwünschten Gegeneffekt, den die Forscher nun erstmals empirisch belegen konnten. Denn durch den Einsatz von Herbiziden sind Unkräuter auch in der Lage, sich durch Mutation und Selektion an das Gift anzupassen. Wie Bakterien, die zu Superkeimen mutieren, würden sich Unkraut dadurch zum Superunkraut entwickeln, so die Forscher. Besonders schnell passiert das, wenn die Wirkstoffe großzügig verwendet werden. Hier kommt der Vergleich mit Antibiotika zum Tragen. Ähnlich wie bei multiresistenten Superkeimen entwickelt auch das Unkraut Resistenzen, die den Einsatz bisheriger Herbizide wirkungslos macht.
Forscher raten zu massiven Einschränkungen bei Einsatz von Herbiziden
Auch bei der Suche nach der Ursache für diese Resistenzen ließen sich Ähnlichkeiten zum Einsatz von Antibiotika erkennen. Um die Wirksamkeit der Stoffe langfristig aufrechtzuerhalten, dürften Herbizide nur gezielt und in einer möglichst niedrigen Dosis eingesetzt werden, so die Einschätzung der Forscher. Demzufolge müsste sich die Menge an chemischen Stoffen streng danach ausrichten, wie stark der Acker von dem Unkraut befallen ist. Bei einigen der Landwirtschaftsbetriebe stellten die Forscher fest, dass sie, unabhängig von dem tatsächlichen Unkrautbefall, immer die gleichen großen Mengen einsetzten. Dadurch wird, wie bei einem übermäßigen Einsatz von Antibiotika, die Entwicklung von Resistenzen beschleunigt.
Freckleton und sein Team raten Landwirten deshalb, den Einsatz von chemischen Herbiziden massiv einzuschränken und stattdessen mehr auf nicht-chemische Strategien zur Unkrautvernichtung zu setzen. Nur so könne die Wirkung der Herbizide weiterhin geschützt und die Verbreitung von Superunkräutern eingedämmt werden. Laut ihrer Studie ist das auch im wirtschaftlichen Interesse der Landwirte. Denn der verschwenderische Einsatz von teuren Herbizidenist bei gleichzeitig abnehmender Wirksamkeit entpuppt sich als Verlustgeschäft.