Ein internationales Forscherteam fand heraus, dass der Weizenstammrost, eine weitgehend ausgerottete Krankheit, eine zunehmende Bedrohung für die europäische Weizen- und Gerstenproduktion darstellt.
Die Studie, die am Donnerstag in der Zeitschrift Communications Biology veröffentlicht wurde, untersuchte das Potenzial für das Wiederauftreten von Weizenstammrost im Vereinigten Königreich. Weizenstammrost ist eine verheerende Krankheit, die Weizen und Gerste befällt und durch einen Pilzerreger hervorgerufen wird. In Westeuropa wurde die Krankheit Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend ausgerottet, aber in den letzten Jahren kam es vereinzelt zu erneuten Ausbrüchen.
Im Jahr 2013 erlebte Deutschland den ersten großen Ausbruch von Stammrost seit Jahrzehnten, nachdem hohe Frühsommertemperaturen auf einen ungewöhnlich kalten Frühling folgten. Drei Jahre später wurden Brot und Hartweizen in Sizilien durch den Stammrost verwüstet, der den größten europäischen Ausbruch seit vielen Jahren markierte. Die Forscher untersuchten mögliche Ursachen des Wiederauflebens, darunter mangelnder Widerstand bei modernen europäischen Weizen- und Gerstensorten, veränderte klimatische Bedingungen und vermehrtes Vorkommen von gewöhnlicher Berberitze – ein Strauch, der die Krankheit begünstigt.
Forscher fanden eine einzige Weizenpflanze in Südengland, die 2013 von Stammrost befallen war. Es war das erste Vorkommen von Weizenstammrost in Großbritannien seit fast 60 Jahren. Eine Analyse des Stammrostisolats (UK-01), zusammen mit Proben aus Dänemark, Schweden und Äthiopien, ergab, dass sich der Stamm wahrscheinlich von Süden nach Norden in ganz Europa ausbreitete und aus einer gemeinsamen Quelle stammte. Weitere Analysen ergaben, dass nur 20 % der Weizensorten des Vereinigten Königreichs gegen den UK-01-Stamm widerstandsfähig sind. Die überwiegende Mehrheit der Weizensorten ist somit anfällig für Krankheiten.
Wissenschaftler untersuchten auch, wie sich die Wiederbepflanzung von Berberitzen auf das Risiko von Stammrost auswirkt. Als alternativer Träger von Stammrost können Berberitzen in gemäßigten Zonen eine „Saisonbrücke“ bilden und die genetische Vielfalt des Erregers steigern. Dem Bericht zufolge, können ruhende Stammrostsporen im Frühling überwintern und keimen, um Berberitze zu infizieren, und dann primäre Gras- und Getreidewirtspflanzen wiederinfizieren.
Während des späten 19. und frühen 20. Jhrs. war die Bekämpfung der Berberitze in Großbritannien sehr erfolgreich und trieb den Weizenstammrost fast bis zur völligen Ausrottung. Der Anbau von Berberitzen nimmt derzeit jedoch zu, was vor allem auf ein Lebensraum-Schutzprogramm fȕr die gefährdete Berberitz-Teppichmotte zurückzuführen ist.
Forscher äußerten Bedenken, dass Stammrostpathogene die zunehmende Zahl von Berberitzenpflanzen als Wirtspflanze für die sexuelle Reproduktion nutzen werden. In Schweden hat der Haferstamm-Rostpilz, für den die gewöhnlichen Berberitzen eine alternative Wirtspflanze sind, nach der Aufhebung des Berberitzentilgungsgesetzes im Jahr 1994 erheblich an genetischer Vielfalt zugenommen. Schweden berichtete vor kurzem auch über das erste Auftreten einer sexuellen Ansammlung von Stammrost auf Berberitzen seit Jahrzehnten, „was eine besorgniserregende Wendung für den Weizenstammrost in Europa bedeutet“, so der Bericht.
Die Studie ergab auch, dass die Klimaveränderungen der letzten 25 Jahre zunehmend günstigere Bedingungen für das Wachstum von Pilzerregern und die anschließende Infektion von Nutzpflanzen mit sich bringen. Der Erreger hat die höchste Infektionsrate bei hohen Temperaturen, und wird begünstigt durch hohe Feuchtigkeit und viel Sonnenlicht. Forscher fanden einen Trend zu einem steigenden Risiko bis 2006, wobei sich das Risiko in den letzten Jahren, mit Ausnahme des sehr nassen Jahres 2012, abflachte.
Obwohl die Prognosen des Klimawandels für 2050 eine leichte Erwärmung des zentralen Teils des Weizenanbaugebiets im Vereinigten Königreich voraussagen, ist es unwahrscheinlich, dass die für eine Infektion erforderlichen feuchten Bedingungen häufiger auftreten werden. Wissenschaftler befürchten jedoch, dass die Fähigkeit des Erregers, sich durch sexuelle Reproduktion an Berberitzenpflanzen anzupassen, die Entstehung von Pilzstämmen begünstigen könnte. Diese seien in der Lage, Getreidekulturen auch unter trockeneren Bedingungen zu infizieren.
Um die europäischen Getreidearten vor einem großflächigen Wiederauftreten von Weizenstammrost zu schützen, empfahlen die Wissenschaftler, die Zuchtresistenz bei Weizen- und Gerstensorten wiederherzustellen. Sie schlugen auch Durchführungsbestimmungen vor, um die Wiederbepflanzung von Berberitzen in der Nähe von Ackerland zu verbieten. Dies würde die Fähigkeit des Krankheitserregers einschränken, und jegliche eingeführte Resistenz und klimatische Zwänge rasch zu überwinden.
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