Eine neue Studie in der Gemeinde Flint in Michigan, zeigt, dass schätzungsweise einer von fünf Erwachsenen fünf Jahre nach Beginn einer Wasserkrise an einer klinischen Depression und einer von vier an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet.
Eine dramatische Vorgeschichte um verseuchtes Wasser
„Die psychische Belastung durch Amerikas größte Umweltkatastrophe im öffentlichen Dienst hält für viele Erwachsene in Flint eindeutig an“, kommentiert Aaron Reuben, Postdoktorand der Duke University die Erkenntnisse in einer Pressemitteilung. Reuben leitete Studie, die am 20. September in JAMA Network Open erschien.
„Nahezu 100 % der befragten Einwohner von Flint gaben an, dass sie ihr Verhalten geändert haben, um den Konsum von verunreinigtem Wasser während der Krise zu vermeiden, und die überwiegende Mehrheit macht sich immer noch Sorgen, dass die Exposition, der sie ausgesetzt waren, bei ihnen oder ihren Familienmitgliedern zu künftigen Gesundheitsproblemen führen könnte.“
Am 25. April 2014 stellte die Stadt Flint, Michigan, ihre Wasserversorgung vom Huronsee und dem Detroit River auf den Flint River um, um Kosten zu sparen und Verbesserungen an der veralteten Wasseraufbereitungsanlage der Stadt zu beschleunigen. Die Stadt hatte es allerdings versäumt, die Wasserversorgung ordnungsgemäß zu behandeln, um zu verhindern, dass Blei und andere Elemente aus den alten Wasserleitungen der Stadt sickern.
Die anhaltende Exposition gegenüber unsicheren Konzentrationen von Krankheitserregern und Desinfektionsnebenprodukten sowie Blei in der Wasserversorgung hat bei den Einwohnern von Flint zu einer Gesundheitskrise geführt.
Erst am 24. Januar 2017 wurde das Trinkwasser in Flint von der EPA für bleifrei erklärt. Obwohl der Bleiwert 2015 auf 12 Teile pro Milliarde gesunken ist, wird es nach Ansicht von Experten noch Jahre dauern, bis die jahrzehntelangen Schäden an der Infrastruktur, den Leitungen und den gefährdeten Einwohnern der Stadt behoben sind.
Deutliche Ergebnisse fünf Jahre nach der Krise
Die vom US-Justizministerium (Office for Victims of Crime) mitfinanzierte Studie umfasste Daten, die zwischen dem 13. August 2019 und dem 10. April 2020 in einer Haushaltswahrscheinlichkeitsstichprobe von 1.970 Erwachsenen aus Flint erfasst wurden. Die Umfragen wurden online und per Post durchgeführt. Die Forscher wollten insbesondere wissen, wie die wahrgenommene Exposition gegenüber kontaminiertem Wasser ausfiel und welche Prävalenz von Depressionen und PTBS festzustellen war. Dabei wurden die Probanden auch gefragt, ob ihnen jemals psychische Gesundheitsdienste angeboten oder in Anspruch genommen wurden.
Die Ergebnisse fielen überraschend deutlich aus. Etwa 13.600 Personen, was einem Fünftel der Gesamtbevölkerung entspricht, leiden mittlerweile an einer klinischen Depression. Noch mehr, rund 15.000 Personen (ein Viertel der Gesamtbevölkerung), litten an einer PTBS. Die Umfrage offenbarte zudem, dass die Prävalenz von Depressionen und PTBS bei Personen mit einer Vorgeschichte von körperlichen oder sexuellen Übergriffen höher war.
„Wir untersuchen diese Probleme nach Katastrophen, weil sie häufig auftreten und weil sie für den Einzelnen und die Gemeinschaft eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen“, so Prof. Sandro Galea, Dekan an der Boston University School of Public Health und Mitautor der Studie in der Mitteilung. „Wir untersuchen diese Probleme aber auch, weil wir gute Behandlungsmöglichkeiten haben, die für die meisten Menschen wirksam sind“.
Die Bewohner von Flint, einer überwiegend einkommensschwachen, schwarzen Gemeinde, sahen sich schon vor der Wasserkrise mit vielen Herausforderungen konfrontiert, die die psychische Gesundheit beeinträchtigen können, darunter sozioökonomische Benachteiligung, Rassismus und eine hohe Belastung durch potenziell traumatische Ereignisse.
Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen gehören zu den häufigsten und am meisten beeinträchtigenden psychischen Störungen. Sie verursachen in der Regel schweres emotionales Leid und beeinträchtigen nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch deren Familien und Freunde sowie die Gesellschaft im Allgemeinen. Die kumulativen Kosten für das nationale Gesundheitssystem der USA werden auf 326 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt.
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