Längere Güterzüge bergen offenbar ein höheres Entgleisungsrisiko. Dies zeigt eine neue Studie der Brigham Young University aus den USA, die von der Gesellschaft für Risikoanalyse veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse könnten auch für aktuelle Pläne der Deutschen Bahn von Bedeutung sein.
11 % gesteigertes Systemrisiko
Laut den Autoren wurden Güterzüge in den letzten Jahren immer länger, um Kraftstoff zu sparen und die Emissionen zu reduzieren. Doch diese Entwicklung birgt Gefahren. So ergab die Untersuchung der Risiko-Forscher, dass ein 100 Wagen langer Zug mehr als doppelt so häufig entgleist wie ein 50 Wagen langer Zug. Dabei sind Entgleisungen die häufigste Art schwerer Zugunfälle in den USA. „Das Verständnis des Entgleisungsrisikos ist ein wichtiger Bestandteil für die Bewertung der Gesamtsicherheit des Schienensystems und für die zukünftige Entwicklung und Regulierung des Güterschienenverkehrs“, so Hauptautor Peter Madsen in einer Pressemitteilung. „Wenn das US-Schienentransportsystem statt 50-Wagen-Zügen 100-Wagen-Züge einsetzen würde, würde das systemweite Entgleisungsrisiko um etwa 11 Prozent steigen“
Für ihre quantitative Analyse nutzten die Forscher Informationen zu Unfällen auf US-Güterzugstrecken der letzten zehn Jahre von der Federal Railroad Administration. Insgesamt sind rund 35.000 Vorfälle in den Datenbanken erfasst, also 3.500 pro Jahr. Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf eine Stichprobe von etwa 3.000 Fällen, in denen eine Entgleisung mit einem Bahnübergangsunfall zur selben Zeit am selben Ort zusammenfiel. Zum Vergleich: In Deutschland mit seinem deutlich besser ausgebauten Schienennetz fanden in den Jahren 2021 und 2022 fast 5.000 meldepflichtige Ereignisse statt, darunter 463 Entgleisungen, wie der Focus einen ARD-Bericht zitiert.
Deutsche Bahn plant 1.500 Meter-Züge
In den USA ist die Debatte um Güterzüge seit einer katastrophalen Entgleisung in East Palestine, Ohio, im Februar 2023 voll im Gange. Damals entgleisten 38 Waggons eines 151 Waggons umfassenden und fast 3 Kilometer langen Güterzuges. Rund 2.000 Einwohner mussten evakuiert werden. Als Reaktion brachte der US-Senator Sherrod Brown den Railway Safety Act ein. Sollte er verabschiedet werden, würden unter anderem neue Vorschriften zur Länge von Güterzügen erlassen werden. Auch auf Bundesstaatenebene werden solche Regulierungen diskutiert.
In Deutschland fahren laut eines Artikels des Vereins Allianz pro Schiene aus dem Jahr 2016 vergleichsweise kurze Züge. Die Mehrheit weise eine Länge unter 600 Metern auf, während in Europa 740 Meter lange Züge mit rund 35 Wagons der Standard seien. Die Deutsche Bahn prüfe derzeit laut FAZ allerdings Güterzüge mit einer Länge von rund 1.500 Metern. Um diese Pläne zu verwirklichen müsste der Konzern dem Eisenbahnbundesamt nachweisen, dass die Sicherheit auch bei längeren Zügen gewährleistet ist. Dies dürfte durch die neue Studie nicht einfacher werden.
Bild von Holger Schué auf Pixabay