In Wittenberg gibt es seit diesem Jahr eine neue Forschungsbibliothek zur Reformationsgeschichte. Auf zwei Etagen finden sich in elf Räumen rund 220.000 historische Bücher und ein Lesesaal. Das Ambiente wird der bedeutenden Sammlung mehr als gerecht: atmosphärische Gewölbe mit dreieinhalb Meter dicken Mauern und schweren Holzbalken.
Unglaubliche Sammlung alter Bücher zusammengeführt
Der Umzug war jedoch alles andere als ein Kinderspiel. Vielmehr handelte es sich bei der Zusammenführung der Bestände aus der alten Uni-Bibliothek, aus dem Lutherhaus und dem evangelischen Predigerseminar um eine Herkulesaufgabe, wie der neue Leiter Matthias Meinhardt einräumt. Er kümmerte sich um alle Probleme und Widrigkeiten während des Umzugs und leitet nun als promovierter Historiker die neue Forschungsbibliothek. Er ist stolz auf die beachtliche Sammlung. Es handelt sich bei vielen Büchern um Unikate, außerdem stammen mehr als 100.000 Bände aus der Zeit vor 1850. Das älteste handschriftliche Exemplar wurde im 12. Jahrhundert geschrieben, das älteste gedruckte Werk stammt aus dem 15. Jahrhundert. Besonders viele Bücher wurden in Wittenberg geschrieben und sind vor allem aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Im Wert kaum bezifferbar sind vor allem die Erstdrucke von Martin Luther, als auch Werke mit Notizen anderer Reformatoren, wie zum Beispiel seines Wegbegleiters Philipp Melanchthon.
Martin Luther als zentrale Figur
Auch das Wittenberger Schloss selbst war im Zuge des Jubiläums »500 Jahre Reformation 2017« anlässlich des Thesenanschlags Luthers saniert worden. Martin Luther verbrachte einen großen Teil seines Lebens in Wittenberg und lehrte dort an der Universität. Am 31. Oktober 1517 soll er seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche an die Tür der Schlosskirche geschlagen haben. Der Überlieferung nach ist dies der Beginn einer weltweiten Reformation der Kirche und der Gesellschaft. Was von Kritikern als Spaltung der Kirche betrachtet wurde war die Geburt der evangelischen Kirchengeschichte. Heute liegen Martin Luther und sein Freund und Reformationsgefährte Melanchthon in eben jener Schlosskirche begraben.
Das kulturelle Erbe von Wittenberg
Die Sammlung der Bibliothek konzentriert sich vor allem auf die Reformations- und Kirchengeschichte der Theologie sowie der Universitäts- und Bildungsgeschichte, erklärt Meinhardt. Bisher waren die Bücher an fünf unterschiedlichen Orten der Stadt untergebracht. Mit der Zusammenlegung vereinigt man nun auch das kirchliche und kulturelle Erbe der Stadt Wittenberg. Dies wurde unter anderem durch die Unterstützung der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt möglich gemacht. Genutzt werden die Bibliotheksräume vor allem von Wissenschaftlern und künftigen Pfarrern. Aber auch interessierte Bürger sind eingeladen, in den Räumen der Bibliothek in Wittenberg zu stöbern. Alle Bücher sind frei zugänglich, jedes dürfe gelesen werden, betont der Bibliotheksleiter.
Dabei müssen nicht einmal die berühmten weißen Handschuhe angezogen werden: „Die weißem Handschuhe sind nur für die Medien, das hat einen schönen Showeffekt. Wer einen Handschuh aufsetzt, dem fehlt in Wirklichkeit beim Umblättern das Fingerspitzengefühl.“