Die Maßnahmen des skandinavischen Staates sorgen nach wie vor für kontroverse Diskussionen. Im Gegensatz zu vielen anderen schränkte Schweden das Leben der Bürger im Angesicht der Covid-19-Pandemie kaum ein. Aktuelle Zahlen zeigen auf, dass diese Art der Krisenpolitik durchaus ihren Tribut forderte.
Forscher der University of Oxford entwickelten den sogenannten „Government Respone Stringency Index“. In diesem werden die Corona-Maßnahmen der unterschiedlichen Staaten miteinander verglichen. Die Daten verdeutlichen Schwedens Sonderweg. Während der Index-Score im Falle Deutschlands bei rund 60 notiert, beläuft sich der schwedische Wert auf etwa 41. Der Maximalwert 100 steht für die striktesten Gesetze und Regeln.
Schweden setzt von Beginn an, entgegen den meisten anderen Staaten, stark auf Empfehlungen und Freiwilligkeit. Dass auch diese Strategie Früchte trägt, zeigen Mobilitätsdaten, welche Google veröffentlichte.
Obwohl das skandinavische Land den Bürgern ein weitestgehend normales Leben ermöglichte, schränkten die Schweden ihren Bewegungsradius im Zuge der Corona-Krise stark ein. Zudem setzten viele auf das Arbeiten vom Home-Office aus. In Stockholm verringerte sich die Präsenz am Arbeitsplatz um 36 Prozent, wohingegen der Rückgang in Berlin lediglich 35 Prozent beträgt. Zudem halten sich die Schweden deutlich kürzer an Haltestellen und Bahnhöfen auf, als noch vor der Pandemie. Auch hier verhalten sich Bürger ähnlich, als in Staaten mit deutlich strikteren Regelungen. Dennoch ist die Situation nicht zu vergleichen, da beispielsweise Restaurants und Bars die gesamte Zeit hinweg ihre Pforten offen hatten.
Schweden mit verhältnismäßig vielen Toten
Wie aus „Worldometers“-Daten hervorgeht, vermeldet Schweden bisher insgesamt 4.403 Corona-Tote. In Deutschland sind es hingegen 8.618, und damit rund doppelt so viel. Unter Berücksichtigung anderer Faktoren wird dennoch deutlich, dass Schweden verhältnismäßig hohe Opfer zu beklagen hat.
So starben in Schweden je einer Million Einwohner 436 Menschen an den Covid-19-Folgen. In Deutschland beträgt die Anzahl hingegen 103. Allerdings steht die Bundesrepublik in dieser Hinsicht überproportional gut da. Bei anderen Staaten wie Spanien und Italien ist die Quote an Toten je einer Million Einwohner noch höher, als in Schweden. Dennoch spricht womöglich einiges dafür, dass die schwedische Politik eine ungünstige Entwicklung nach sich zog.
Insbesondere die geringe Bevölkerungsdichte Schwedens lässt es eigentlich naheliegend erscheinen, dass sich das Virus dort langsamer ausbreitet. Pro Quadratkilometer leben hier rund 25 Einwohner. In Italien leben auf der gleichen Fläche hingegen 205,45 Menschen. Zudem breitete sich das Virus erst in anderen Regionen aus, weswegen dem skandinavischen Staat genügend Zeit für Eindämmungsmaßnahmen geblieben wäre – zumindest vertreten einige Experten diese Auffassung.
Vergleich mit Nachbarländern
Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher sozioökonomischer Faktoren scheint es sinnvoll, Schwedens Sonderweg insbesondere mit der Entwicklung in den skandinavischen Anrainerstaaten zu vergleichen. Die Todesrate in Norwegen und Finnland liegt hierbei deutlich unter der in Schweden. So sind es in Norwegen 44 Tote je einer Million Einwohner, in Finnland hingegen 57. Trotz ähnlichen Startbedingungen starben in Schweden in Relation zur Einwohnerzahl bis zu 890 Prozent mehr Menschen.
Insgesamt zeigen die Daten, dass es durchaus Anlass dafür zu geben scheint, den schwedischen Sonderweg kritisch zu betrachten. Womöglich haben die laxen Regelungen überproportional viele Menschenleben gefordert. Allerdings sollte auch diese These hinterfragt werden. So könnte es derzeit noch zu früh für eine abschließende Beurteilung sein.