Beim Bornavirus ging man bisher davon aus, das es nur Pferde und anderen Tiere krank machen und töten kann. Drei Todesfälle in Deutschland belegen nun erstmals, dass auch Menschen an dem Erreger sterben können. Und wirft damit einen neuen Blick auf die Diagnose von Gehirnentzündungen.
Bisher nur Tiere vom Bornavirus betroffen
Kürzlich verstarben in Deutschland drei Menschen an einer Hirnhautentzündungen. Eigentlich keine außerordentliche Besonderheit, wäre da nicht die Ursache für den Krankheitsausbruch. Denn alle drei Patienten wurden höchstwahrscheinlich durch einen Virus infiziert, bei dem man bisher davon ausging, dass er nur Schafe, Pferde und andere Tiere befällt. Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald und das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin vermeldeten die ersten gesicherten Nachweis des Bornavirus beim Menschen überhaupt.
Ansteckung über eine Organtransplantation
Die Ansteckung von zwei Patienten steht in einem engen Zusammenhang. So erfolgte eine Übertragung des Virus von einem Patienten auf die anderen beiden über eine Organtransplantation. Dies sollte jedoch keine unnötige Skepsis gegenüber Organspenden auslösen. „Wir gehen bei diesem Geschehen von einem sehr seltenen Einzelfall aus“, betont Martin Beer. Bei dem dritten Todesfall konnte kein Zusammenhang zu einer Transplantation hergestellt werden, mehr Informationen wurden nicht bekannt gegeben. Ende 2016 baten die Universitätskliniken, in denen die Verstorbenen behandelt worden waren, Forscher vom FLI, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, um Hilfe. Es war ihnen nicht gelungen, mit der üblichen Standarddiagnostik die Ursache für die Gehirnentzündungen zu finden. Das FLI wurde kontaktiert, weil es bereits 2015 bei verstorbenen Bunthörnchen-Züchtern in Sachsen-Anhalt ein neues Bornavirus ausmachen konnte. Auch dort traten Gehirnentzündungen auf, deren Ursprung man mit normalen Verfahren nicht ausfindig machen konnte.
Neue Diagnoseverfahren bei Gehirnentzündungen
Weil die Gehirnentzündungen nicht durch die üblichen Erreger ausgelöst worden waren, setzten die Forscher spezielle Analysemethoden ein und konnten so das klassische Bornavirus nachweisen. Das hat Auswirkungen auf zukünftige Diagnoseverfahren bei solchen Krankheitsausbrüchen. „Danach wurde bei Gehirnentzündungen bisher nicht gesucht, weil es keinerlei Hinweise gab, dass es eine Rolle spielen könnte“, erklärt Beer. Mit dem jetzt erbrachten Nachweis wird sich dies jedoch ändern. Wenn die Standarddiagnostik keine Ergebnisse liefert, sollte künftig neben anderen Erregern auch auf das Bornavirus getestet werden. Im Fokus stehe nun, Nachweismethoden zu entwickeln, um die Erkrankung auch in einem sehr frühen oder chronischen Krankheitsverlauf entdecken zu können. Denn ein solcher Fall muss bei dem infizierten Spender vorgelegen haben, der als gesund eingeschätzt wurde, als man seine Organe freigab. Ein dritter Empfänger des infizierten Spenders überlebte die Infektion mit dem Bornavirus.
Forschung zum Bornavirus bereits in den 90er Jahren
Beginn der 90er Jahre forschten Wissenschaftler am RKI bereits einmal intensiv zum Bornavirus und der Möglichkeit einer Übertragung auf den Menschen. Bis 2005 bemühte man sich, einen solchen Beweis zu finden. Es gab zwar vermeintliche Nachweise des Virus, allerdings führte man dies auf Verunreinigungen der Labore zurück. Der Nachweis blieb aus, das Forschungsprojekt wurde eingestellt. Viel Aufmerksamkeit erhielt die Forschung damals, weil einige Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Bornavirus, Schizophrenie und Depression vermuteten.
Martin Beer warnt jedoch, voreilige Schlüsse zu ziehen. „Man muss die aktuellen Einzelfälle eindeutig von den Diskussionen der vergangenen 20 Jahre und den damaligen Untersuchungen abtrennen. Wir sehen jetzt eine ganz klare Symptomatik, wir haben Todesfälle und in den Proben der verstorbenen Patienten lassen sich sehr große Mengen an Virus-Genom nachweisen“. Um jetzt zu Infektionswegen und Risikogebieten zu forschen, sollen in einem mit Bundesmitteln geförderten Konsortium mehrere deutsche Institute dem Bornavirus nachgehen.