Während bakterielle Infektionen in der Vergangenheit oft ein klares Todesurteil waren, lassen sie sich heutzutage relativ problemlos mit Antibiotika behandeln. Diese haben allerdings oft Nebenwirkungen, darunter am häufigsten Magen-Darm-Beschwerden. Ein Team von Wissenschaftlern hat nun die Auswirkungen von 144 Antibiotika auf die häufigsten 27 Darm-Bakterien untersucht und die Ergebnisse im Fachmagazin Nature veröffentlicht.
So fanden sie heraus, dass manche Antibiotika, die nur bakterielles Wachstum hemmen sollen, ungefährliche und sogar nützliche Darmbakterien abtöten. Dies könnte auf lange Sicht das Mikrobiom in unserem Darm aus dem Gleichgewicht bringen – mit unvorhersagbaren Langzeiteffekten. Doch zusätzliche Medikamente sollen helfen.
Nicht alle Bakterien sind schädlich
Bakterien sind nicht immer schlecht, Millionen von ihnen leben in unserem Darm. Zu ihren Aufgaben zählt unter anderem das Verwerten von Nährstoffen, Bekämpfen von Krankheitserregern und teilweise haben die Mikroorganismen sogar Auswirkungen auf Gemüt und Stimmung. Und diese sind durch Antibiotika oft in Gefahr. Lisa Maier vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg äußert sich dazu in einer Pressemitteilung: „viele Antibiotika hemmen das Wachstum krankheitserregender Bakterien. Dieses breite Wirkspektrum ist bei der Behandlung von Infektionen nützlich, erhöht aber das Risiko, dass auch die nützlichen Bakterien im Darm angegriffen werden.“
Mit ihrem Team analysierte die Forscherin über 144 Antibiotika und ihre Auswirkungen auf Wachstum und Überleben von 27 körpereigenen Bakterienstämmen. „Bisher war unser Wissen über die Auswirkungen verschiedener Antibiotika auf einzelne Mitglieder unserer mikrobiellen Gemeinschaft im Darm lückenhaft. Unsere Studie trägt dazu bei, welche Art von Antibiotika welche Arten von Bakterien auf welche Weise beeinflusst.“, so ihr Kollege Nassos Typas.
Hemmende Antibiotika töten Darmbakterien
In ihren Untersuchungen bestimmten sie die minimale Hemmkonzentration für Krankheitserreger – das heißt, die Menge, die gebraucht wird, um ihr Wachstum zu hemmen. Dabei wurde klar, dass die Konzentration, die benötigt wird, um Krankheitserreger anzugreifen, häufig in kleinen Mengen den Darm-Bakterien nicht schadet.
Eine Ausnahme hierbei ist die Antibiotika-Klasse der Tetracycline. Bei ihnen wurde festgestellt, dass sie schon in geringen Konzentrationen der Darmflora schaden, die von den Krankheitserregern noch gar nicht betroffen waren. Darüber hinaus, sollen Tetracycline eigentlich das Wachstum von Bakterien nur eindämmen, in ihren Versuchen stellten Maier und Kollegen jedoch fest, dass sie eine bakterizide – also tötende – Wirkung auf Darmbakterien hätten. Das gleiche Ergebnis sahen die Forscher in der Klasse der Makrolide.
Maiers Kollege Camille Goemans zeigt sich überrascht: „Diesen Effekt hatten wir nicht erwartet. Bisher ging man davon aus, dass diese Antibiotikaklassen nur das Bakterienwachstum stoppen, aber die Bakterien nicht abtöten. Die Experimente zeigen, dass diese Annahme für etwa die Hälfte der von uns untersuchten Dammikroben nicht zutrifft. Doxycycline, Erythromycin und Azithromycin, drei häufig eingesetzte Antibiotika, töten mehrere häufig vorkommende Darmbakterienarten ab, während sie andere nur in ihrem Wachstum hemmen.“
Diese Erkenntnisse könnten erklären, wieso Patienten nach antibiotischer Therapie oft langfristige Veränderung ihrer Darmflora erfahren. Allerdings suchten die Forscher nach Wegen, genau diese Probleme in den Griff zu bekommen. Dabei suchten sie nach Wirkstoffen, welche zusammen mit Antibiotika gegeben werden können, um darmeigene Bakterien zu schützen. „Die stärksten Gegenmittel waren das blutgerinnungshemmende Medikament Dicumarol, das Gichtmittel Benzbromaron und zwei nichtsteroidale Entzündungshemmer, Tolfenaminsäure und Diflunisal“, kommentierten die Forscher ihre Ergebnisse.
Ihre Forschung sei allerdings noch nicht abgeschlossen. Bevor die Gegenmittel breite Anwendung finden werden, müssen zum Beispiel Dosierung und Zusammensetzung von möglichen Gegenmitteln getestet werden.
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