Es scheint, als habe die Grippewelle ihren diesjährigen Höhepunkt erreicht. Zumindest bleibt dies zu hoffen. Denn bereits jetzt hat die Grippe in Deutschland 136 Tote gefordert. Die dominierende Viren-Linie ist dieses Jahr allerdings nicht in der üblicherweise eingesetzten Dreifachimpfung enthalten. Das sollte allerdings kein Argument gegen eine Impfung sin, mahnen Experten.
Standard-Impfung deckt nicht alle relevanten Viren-Stämme ab
Die Grippewelle diese Saison begann in der 52. Kalenderwoche 2017 und ist seitdem immer weiter angestiegen. Das Robert-Koch-Institut vermeldete kürzlich, dass im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bis dato insgesamt etwa 23.379 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle an das RKI übermittelt wurden. Es wurden im Gegensatz zu 2017 bereits 136 Todesfälle gemeldet. Im letzten Jahr gab es bei ähnlicher Ansteckungsrate keinen einzigen Grippetodesfall.
In diesem Jahr wurde über die Hälfte aller Fälle durch Influenza-B-Viren der Linie Yamagata verursacht. Eine Linie, gegen die dieses Jahr nur in einem Vierfachimpfstoff existiert. Gerade gesetzlich Versicherte werden in der Regel nur mit einem Dreifachwirkstoff geimpft, in dem die Yamagata Linie dieses Jahr nicht enthalten ist. Weshalb die Europäische Kommission die Dreifachimpfung dennoch für sinnvoll hält, hat mehrere Ursachen.
Impfen im Dienste der öffentlichen Gesundheit
EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis mahnt in einem Artikel der Zeitung „Die Welt“: „Ich appelliere an alle Bürger in der Europäischen Union, sich selbst und ihre Kinder impfen zu lassen. Damit schützt man nicht nur die eigene Person, sondern auch die Mitbürger.“ Impfungen sind eine „wichtige Maßnahme zur Erhaltung der öffentlichen Gesundheit und sollten eine Selbstverständlichkeit sein“. Vor in den „Mythen und Fehleinschätzungen über Impfungen“ sieht er einen Grund für die Impfmüdigkeit, und fordert, diesen keinen Glauben zu schenken. Auch wenn die Zahlen der aktuellen Influenza-Erkrankungen im Vergleich zur bisher schlimmsten Grippewelle der modernen Geschichte harmlos wirken, ist die Gefahr, die von Grippeviren ausgeht, nicht zu unterschätzen.
Wäre die Spanische Grippe heute noch möglich?
Damals tötete die Spanische Grippe von 1918 bis 1919 weltweit über 20 bis 25 Millionen Menschen. Ob eine solche Pandemie heute noch möglich wäre, schätzen Experten unterschiedlich ein.
Eine bessere Gesundheitsversorgung, neue Vorsorgemaßnahmen aber vor allem auch der Einsatz von Antibiotika, antiviralen Mitteln und Impfstoffen, verringere die Chancen auf einen solchen Ausbruch in Europa, immens, so Susanne Glasmacher, Biologin und Pressesprecherin des Robert-Koch-Instituts. Kritischer schätzt Medizinhistoriker Salfellner die Lage ein. Zwar räumt auch er die verbesserte Situation in Europa ein, betont aber das nur die wenigsten von den aktuell 1,8 Milliarden Menschen weltweit, in so gut versorgten Wohlstandsgebieten leben. Eine künftige Pandemie hält er für sehr wahrscheinlich.
Grippeimpfstoffe sind nachweislich wirksam. Auch wenn in diesem Jahr die dominierende Viren aus der Yamagata-Linie stammen, die durch die flächendeckend eingesetzten Dreifachimpfung dieses Jahr nicht abgedeckt wird, empfehlen EU und das RKI, die Grippeimpfung.
Sehr hohe Wirksamkeit trotz fehlender Komponente bestätigt
Auch wenn die dominierendste Linie an B-Viren in dem aktuell verabreichten Dreifachwirkstoff nicht enthalten ist, könnten Impfungen aus den letzten Jahren, auch jetzt noch vor einer Erkrankung schützen. Besonders Menschen, die sich regelmäßig impfen lassen, können langfristig auch gegen Virenstämme immun sein, die erst in den Folgejahren wieder verstärkt auftreten. Somit wäre eine diesjährige Impfung auch ein möglicher Schutz vor der Grippewelle im kommenden Jahr. Außerdem vermutet man, dass auch die aktuelle Influenza-B-Komponente im Dreifachimpfstoff könnte, aufgrund einer Kreuzimmunität einen gewissen Schutz vor der Yamagata-Linie bieten. Bei dem zweithäufigsten auftretenden Virenstamm dieses Jahr handelt es sich um Influenza A-Viren des Subtyps H1N1. Dieser Virenstamm ist für knapp Prozent aller Erkrankungen verantwortlich. Eine schützende Komponente ist in der diesjährigen Dreifachimpfung enthalten, und bietet somit einen guten Schutz.
Um den Grippeschutz im kommenden Jahr weiter auszubauen, hat sich die Staatliche Impfkommission erstmals für den Einsatz einer Vierfachimpfung zur Eindämmung der Grippewelle 2018/2019 ausgesprochen.