Die weltweiten Beschränkungen zum Schutz gegen die Corona-Pandemie könnten Wissenschaftlern zufolge Auswirkungen auf die Grippewellen der nächsten Jahre haben. Dieses Jahr starben wohl ganze Erreger-Varianten und -Linien aus, was laut Fachleuten aber nicht nur eine gute Nachricht ist.
Vijaykrishna Dhanasekaran und ihr Forscherteam der University of Hongkong, haben in einer Vorveröffentlichung das Verschwinden mehrerer Linien des Grippe-Erregers beschrieben. Auch das Influenza-Virus, welches sich bei uns gerade in den Wintermonaten freudig verbreitet, bekommt die Auswirkungen der Coronamaßnahmen zu spüren. Das Team wertete die Daten des GISRS der WHO aus, dem System zur weltweiten Überwachung und zur Bekämpfung der Grippe. Es zeigte sich, dass die Verbreitung mancher Linien und Varianten in der Saison 2019/2020 extrem gesunken ist. Als fast ausgestorben, gilt nach den Ergebnissen die Yamagata-Linie der Influenza B, gegen welche auch in der Saison 2020/2021 geimpft wird.
Die Grippe leidet unter Reisebeschränkungen
Vor allem die saisonale Grippe, wie sie in unseren Breitengraden vorkommt, ist auf freie Reise zwischen den Ländern angewiesen. Jeden Winter aufs Neue wird das Virus in den Wintermonaten eingeschleppt und stirbt im folgenden Sommer wieder aus. Dieser Dynamik folgt auch der Subtyp H3N2, der in Südostasien ganzjährig zirkuliert und durch die Pandemie gleich 3 seiner 8 Varianten verlor.
Ob die Yamagata-Linie wirklich komplett ausgestorben ist, ist angesichts diverser Meldungen noch unklar. Einzelne Fälle wurden vom Überwachungssystem der WHO aufgezeichnet. Da es sich aufgrund der kleinen Zahl von Fällen hier aber womöglich um falsch positive Ergebnisse handeln könnte, schrieb Dhanasekaran auf Twitter:
These sporadic B/Yam detections need further investigation. False positives?
— Vijaykrishna Dhanasekaran (VJ) (@vijay_lab) September 29, 2021
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Der Virologe Kevin R. McCarthy von der Universität of Pittsburgh zweifelt indes am Aussterben der Linie. Ihm zufolge sei es möglich, dass sich das Virus unentdeckt in China verbreiten konnte, da dort keine landesweiten Corona-Maßnahmen ergriffen worden waren, wie es in den meisten westlichen Staaten der Fall sei.
Good question. Currently there are no reported sequences. I found documented examples in a few countries. I don’t know the error rate of tests or reporting. With low n values anything is possible but it appeared to be real. China had a good number and didn’t fully lock down
— Kevin R McCarthy (@mccarthy_kr) September 29, 2021
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Neue Virusvarianten dank Corona?
Ob das Verschwinden der Virusvarianten nun eine gute Neuigkeit für uns ist, bleibt fraglich. Durch die schwache Grippewelle in den Jahren der Pandemie, werden die nachfolgenden wohl schwerer ausfallen, so Experten. Es wird davon ausgegangen, dass seltene oder neue Varianten die Plätze der verschwundenen Linien ausfüllen werden, gegen die weniger Immunität in der Bevölkerung besteht. Weiterhin sinkt auch die allgemeine Immunität der Bevölkerung gegen einen Erreger, wenn sie diesem nicht mehr ausgesetzt sind. Die starken Auswirkungen von Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen zeichnete sich letztes Jahr in den Zahlen der Grippeerkrankten ab.
Außerdem könnten sich die neuen Viren auf die Schutzwirkung der Impfung auswirken. Im Gegensatz zur Corona-Impfung bietet die Grippe-Impfung nur einen Schutz von 40 bis 60 %, schon in normalen Jahren. Für die Impfung werden die meist aufgetretenen Varianten aus dem Vorjahr kombiniert, um gegen möglichst viele Erreger geschützt zu sein. Geimpft wird am besten zwischen Oktober und Dezember, um für die aufkommende Welle zwischen Januar und März den optimalen Schutz zu bieten.
Da die Häufigkeit von bestimmten Varianten sich jedes Jahr ändert, muss der Impfstoff Jahr für Jahr angepasst werden. Hier ist es möglich, dass neu aufgetretenen Influenza-Viren in der nächsten Saison die Wirksamkeit der Impfung beeinträchtigen. Für die Saison 2021/2022 ist jedoch schon eine Impfkombination bereit, die laut STIKO auch zusammen mit der Corona-Impfung verabreicht werden kann.