Moskitos gehören zu den größten Plagen der Menschheit. Noch immer sterben jahraus, jahrein Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen an Parasiten- und Virus-Erkrankungen wie Malaria, Dengue-Fieber, West-Nile- und Gelbfieber, die von den summenden Plagegeistern übertragen werden. Mehrere hundert Millionen Infizierte kommen zwar mit dem Leben davon, leiden aber lebenslang an den von Stechmücken übertragenen Krankheiten.
Mit dem schon im 19. Jahrhundert synthetisierten, aber erst 1939 vom Schweizer Chemiker Paul Hermann als hochwirksames Insektizid identifizierten Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) schien man endlich ein Wundermittel gefunden zu haben, um der Plage Herr zu werden. Paul Hermann Müller wurde dafür 1948 mit dem Nobelpreis geehrt. In den 1950er Jahren wurde DDT rasch zu dem am häufigsten eingesetzten Insektizid. Der Sieg im Kampf gegen Malaria und andere von Stechmücken übertragene Krankheiten schien zum Greifen ah. Doch schon in den 1960er Jahren geriet DDT in Verruf, weil es sich als schwer abbaubare Chemikalie in biotischen Nahrungsketten anreichert. Seit den frühen 1970er Jahren wurde der Einsatz von DDT nach und nach verboten. Zwar hat die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen anerkannt, dass DDT für Menschen und Säugetiere kaum giftig ist und das Verbot wieder gelockert, da sich die in den Malariagebieten Afrikas und Südasiens angebotenen Alternativen als unwirksam erwiesen. Doch ist nicht absehbar, ob DDT jemals voll rehabilitiert wird.
So suchen Forscher nun schon seit Jahrzehnten nach anderen Wegen, um der Moskito-Plage Herr zu werden. Vor kurzem veröffentlichten Paul Garrity, Professor für Biologie an der Brandeis-Universität, und seine Doktoranden und Mitarbeiterinnen im Wissenschaftsmagazin „Science“ online einen interessanten Beitrag zur Frage, wie Moskitos vielleicht vom Stechen abgehalten werden könnten. Sie stützen sich dabei auf Beobachtungen, die der britische Forscher Frank Milburn Howlett schon 1910 in der damaligen britischen Kronkolonie Indien veröffentlichte. Ihm war aufgefallen, dass die Moskitos immer um seine heiße Teetasse kreisten und so gut wie nie wechselwarme Tiere befielen. Die Moskitos schienen von der Wärme angezogen zu werden. Um das zu überprüfen, schloss er einen Moskitoschwarm in einen Gaze-Käfig, vor den er ein Reagenzglas mit warmem Wasser hängte. Tatsächlich versammelten sich die Biester in der Nähe der Wärmequelle.
Später geriet dieses Experiment wieder in Vergessenheit, denn neuere Experimente zeigten, dass die Moskitos eher durch ausgeatmetes Kohlenstoffdioxid (CO2) und Körpergeruch angezogen werden. (Noch immer glauben übrigens viele Menschen, Stechmücken würden durch Licht angelockt. Das Gegenteil ist der Fall, denn Tropen-Reisende lernen, möglichst helle Kleidung zu tragen, um Angriffe der Plagegeister zu vermeiden.) Es wurde auch experimentell demonstriert, dass die Körpertemperatur potenzieller Opfer nur im Nahbereich der Orientierung dient. Aber wie das geschieht, blieb lange ohne Erklärung. Erst vor etwa einem Jahr gelang es Garrity und Kollegen, bei den mit den Moskitos verwandten Stubenfliegen einen Temperatursensor an der Spitze der Antennen nachzuweisen. Zunächst dachten sie, diese Sensoren würden wie Thermometer funktionieren. Mehr ins Detail gehend stellten sie jedoch fest, dass diese Sensoren nicht auf die Temperatur, sondern nur auf Temperaturänderungen reagieren. Und zwar sind sie in der Lage, schon auf Temperaturänderungen von einigen Hundertstel Grad zu reagieren. In einem weiteren Schritt stellten die Forscher dann fest, dass Moskitos als Zweiflügler (Dipteren) ebenfalls solche Sensoren besitzen. Es handelt sich um einen molekularen Rezeptor, eine Gruppe von Proteinen namens IR21a, die das Signal fallender Umgebungstemperatur weiterleiten.
Die Forscher überprüften das, indem sie bei einem Teil ihrer Versuchstiere das Gen für die IR21a-Gruppe ausschalteten. Sie gaben diese dann zusammen mit nicht mutierten Moskitos in einen Kasten von der Größe eines Schuhkartons mit etwas CO2 und einer auf Körpertemperatur vorgeheizten Platte an einem Ende. Während die nicht mutierten Moskitos sich rasch an dieser Platte versammelten, gelang es den mutierten nicht, diese zu finden. In einem zweiten Durchgang machten sie diesen Versuch mit hautwarmem menschlichem Blut. Wieder fühlten sich die Mutanten dadurch kaum angezogen. Prof. Garrity und seine Mitarbeiterinnen konnten ferner zeigen, dass der IR21a-Rezeptor nur anspringt, wenn sich die Moskitos von einer Wärmequelle entfernen. Moskitos finden ihre Opfer, indem sie Körpergerüchen und CO2-Ausdünstungen folgen. Einmal dort angelangt, müssen sie auf der Haut aber die Blutadern des Opfers finden. Dabei hilft ihnen IR21a, indem er Alarm schlägt, sobald das Insekt sich kühleren Bereichen der Haut nähert.
IR21a tauchte in der Evolution vor etwa 400 Millionen Jahren bei den gemeinsamen Vorfahren von Krebsen und Insekten auf. Heute benutzen Fliegen den Rezeptor, um große Hitze zu vermeiden, und weibliche Moskitos benutzen ihn, um menschliche Körperwärme und Blut zu finden. Moskitoweibchen brauchen das Blut als Quelle von Proteinen und Eisen, ohne die ihre Eier nicht reifen können. Nun gilt es, ein preiswertes Mittel zu finden, um ihren IR21a-Sensor auszuschalten.
Chloe Greppi,, Willem J. Laursen,, Gonzalo Budelli, Elaine C. Chang, Abigail M. Daniels, Lena van Giesen, Andrea L. Smidler, Flaminia Catteruccia, Paul A. Garrity: Mosquito heat seeking is driven by an ancestral cooling receptor, in: Science 07 Feb 2020: Vol. 367, Issue 6478, pp. 681-684
DOI: 10.1126/science.aay9847