Die Bundesbürger vertrauen Wissenschaft und Forschung immer mehr, wie aus einer aktuellen „Kantar“-Erhebung hervorgeht. Allerdings stehen im Gegenzug auch immer mehr Menschen Forschungseinrichtungen argwöhnisch bis feindselig gegenüber.
Im April dieses Jahres gaben 36 Prozent der Befragten an, der Wissenschaft und Forschung „voll und ganz“ zu vertrauen. 37 Prozent bekundeten wiederum, den genannten Bereichen „eher“ zu vertrauen. Der Anteil jener, die dem Akademischen Spektrum „nicht“ oder „eher nicht“ vertrauen, beträgt hingegen lediglich 6 Prozent.
Insbesondere ein Vergleich mit den Vorjahreswerten führt vor Augen, wie groß der Einfluss der Corona-Pandemie auf die Einstellungen der Bürger ist. Im vergangenen Jahr gaben anstatt 36 Prozent lediglich 9 Prozent an, den Wissenschaften voll und ganz zu vertrauen. Auch im Jahr 2017 sowie 2018 führten die Erhebungen zu ähnlichen Ergebnissen.
Es scheint, als durchlebe die Wissenschaft dieser Tage eine Hochjunktur. So werden nicht zuletzt politische Entscheidungen auf Grundlage aktueller Studienergebnisse getroffen, Virologen stehen wiederum in engem Austausch mit den gewählten Volksvertretern. Markus Weißkopf, Geschäftsführer von „Wissenschaft im Dialog“, spricht davon, dass dieses Vertrauen nicht missbraucht werden sollte: „Das Vertrauen vieler Menschen bringt eine große Verantwortung für die Forschung selbst und für die Kommunikation von Wissenschaft in Öffentlichkeit und Politik mit sich. Forscherinnen und Forscher […] sollten sich dessen bewusst sein und sich bei der öffentlichen Kommunikation über Wissenschaft und Forschung an Werten wie Integrität und dem Gemeinwohl sowie an den Leitlinien guter Wissenschaftskommunikation orientieren“.
Diskussionen über Studienergebnisse spalten Gesellschaft
Zudem, so Weißkopf, zeige sich die Wichtigkeit dessen, dass möglichst viele Menschen die Grundsätze wissenschaftlicher Arbeit nachvollziehen können. An die Forscher appelliert er wiederum, dass diese den vorläufigen Charakter von Studienergebnissen noch stärker hervorheben sollten.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geht der Frage nach, wie in der Wissenschaft glaubwürdiges Wissen erzeugt und dargestellt wird. Dieses Thema habe durch die Corona-Krise an Aktualität gewonnen, wie Sascha Dickel vom Institut für Soziologie an der Johannes-Gutenberg-Universität betont. Anders als es die eingangs zitierte Kantar-Erhebung offenbart, habe die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in den letzten Jahren stark gelitten, so Dickel. Folgt man den Ausführungen, dann erleben wir momentan, „dass der Wissenschaft nicht länger ein bedingungsloses, ungebrochenes Vertrauen entgegengebracht wird“.
Und auch Virologen werden neuerdings häufig angefeindet, wie der „Spiegel“ berichtete. Christian Drosten erhalte sogar Morddrohungen. Rund ein Drittel der befragten Virologen sehen unterdessen die freie Meinungsäußerung in der Wissenschaft bedroht.
Ambivalente Ergebnisse
Einerseits zeigt sich derzeit, dass die Mehrheit den akademischen Studien großes Vertrauen entgegenbringt. Andererseits droht Deutschland in dieser Hinsicht eine 2-Klassen-Gesellschaft zu werden. Auch die Ergebnisse der Befragung seitens Kantar scheint diese These zu bestätigen. So gaben diesen April 20 Prozent der Befragten an, sich nicht sicher zu sein, wie sehr sie Wissenschaft und Forschung vertrauen. Im Vorjahr waren es hingegen mit 46 Prozent deutlich mehr Unschlüssige.
Die Polarisierung könnte förderlich für den gesellschaftlichen Diskurs sein. Sie kann es jedoch nur sein, wenn dieser auf einer gewaltfreien Ebene ausgetragen wird. Morddrohungen und erfolgte Angriffe auf Journalisten zeigen eher an, dass wir Gefahr laufen, die Kontrolle zu verlieren.