Archäologen und Linguisten konnten in den vergangenen Monaten einen spannenden Durchbruch feiern. Sie entdeckten nicht nur eine bisher unbekannte Schrift im Kuschana-Reich, sondern konnten diese auch entziffern und teilweise benennen. Den Forschern gelang es demnach, verschiedene Wortarten, Namen und einzelne Buchstaben aus der bislang unbekannten Sprache zuzuordnen. Svenja Bonmann und ihre drei Kollegen veröffentlichten ihre Publikation zu den Schriften am 12. Juli über die Wiley Online Library.
Hochkultur in Zentralasien
Das Forschungsteam untersuchten einige interessante Felsinschriften, die dem Kuschana-Reich zuzuordnen ist. Die Schriften sind bereits seit langer Zeit Teil von Untersuchungen, wie sie Bonmann, Chefautorin der Studie beschreibt:
„Seit den späten 1950er Jahren haben archäologische Ausgrabungen in Zentralasien mehrere Dutzend Inschriften in einem unbekannten Schriftsystem ans Licht gebracht, das auf Französisch als écriture inconnue […] bezeichnet wurde.“
Kuschana gilt als einflussreiche Region der Antike. Sie erstreckte sich über das heutige Tadschikistan, über das Kaspische Meer bis hin nach Afghanistan. Die Menschen lebten hier zusammen in einem synkretischem Reich. Das bedeutet, dass sie sowohl ihre Religion als auch ihre Werte miteinander teilten.
Laut heutigem Wissensstand hatten die Menschen Handelsbeziehungen mit Rom und China, was die Region zu einem erfolgreichen Imperium machte. Doch nicht alle Entdeckungen aus dieser Zeit haben den Archäologen bisher Antworten geliefert. Die Inschriften, die in diesen Ländern gefunden wurden, konnten bisher nicht entziffert werden:
„Die meisten Inschriften können auf den Zeitraum vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. datiert werden, aber alle Versuche der Entschlüsselung waren bisher erfolglos. Die jüngste Entdeckung bisher unbekannter Inschriften in der Nähe der Almosi-Schlucht in Tadschikistan ermöglichten jedoch einen erneuten Versuch der Entschlüsselung.“
Zahlreiche Ausschnitte führen zu einem Gesamtbild
Da bereits seit mehreren Jahrzehnten nach Inschriften dieser Art gesucht wird, konnte Bonmann mit ihren Kollegen der Universität in Köln auf zahlreiche Bilder zurückgreifen. Doch erst mit den Abbildungen der jüngsten Entdeckung ergaben die Zeichen für sie einen Sinn.
Die Inschriften auf dem Stein sind zweisprachig. Sie ermittelten eine griechisch-baktrische, sowie eine Kuschana-Passage. Da ein Teil dieser Schriftzeichen auch im trilingualen Text aus Afghanistan vorkommen, konnten die Wissenschaftler einige Wörter übersetzen.Bisher konnten sie 15 Konsonantenzeichen, vier Vokalzeichen und zwei Ligaturen als solche entziffern.
Die Wissenschaftler beschreiben, wie komplex eine solche Entschlüsselung ist:
„Jede Operation muss in drei Phasen geplant werden: eine umfassende Analyse der Zeichen, Wörter und Kontexte in allen verfügbaren Inschriften, eine experimentelle Substitution von phonetischen Werten, um mögliche Wörter und Flexionen in einer bekannten oder postulierten Sprache zu geben und eine entscheidende Überprüfung.“
Die Linguisten gehen davon aus, dass die bisher übersetzten Zeichen rund 60 Prozent der Kuschana Sprache ausmachen. Damit könnten auch die an anderen Orten entdeckten Inschriften übersetzt werden.
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