Laut Berechnungen der Umweltorganisation WWF wurden in den vergangenen Jahren 43 Millionen Hektar tropischer Regenwald in den 24 besonders stark betroffenen Gebieten zerstört. Dies teilte die Organisation am Mittwoch in Berlin mit. Den größten Rückgang gebe es im Amazonas in Brasilien, Kolumbien, Peru, Bolivien, Venezuela und Guyana.
Im Rahmen der Studie wertete die WWF Satellitendaten von 2004 bis 2017 aus. Wie gewaltig die Ausmaße der zerstörten Regenwaldgebiete sind, das verdeutlicht ein Blick auf die Größe einzelner Staaten. Die Fläche der Bundesrepublik Deutschland beträgt 35,7 Millionen Hektar, Irland misst beispielsweise lediglich 6,9 Millionen Hektar.
Dabei appellieren die Wissenschaftler eindrücklich: so seien Regenwälder eine Gesundheitsvorsorge für Mensch und Natur. „Wir müssen daher dringend die Entwaldung aufhalten, sonst stoppt das Leben, wie wir es kennen„, so Susanne Winter, ihres Zeichens Programmleiterin beim WWF Deutschland.
Europäer mitverantwortlich
Im medialen Diskurs wird nicht selten die Kritik an den politischen Entscheidungsträger in Mittel- und Südamerika geäußert. Allerdings, so der WWF, gelte es, sich auch an die eigene Nase zu fassen. Auch die deutschen Verbraucher würden eine Mitschuld an der Entwaldung tragen. So werde unter anderem Regenwald vernichtet, um Futtermittelsoja und Kakao anzubauen. Auch für die Rindfleisch-Industrie werde Wald vernichtet.
Bereits im Jahr 2015 forderte die Umweltorganisation, dass die Weltbürger aus Gründen der Nachhaltigkeit ihre Ernährungsgewohnheiten umstellen sollten. Problematisch sei unter anderem der übermäßige Fleischkonsum sowie der Umstand, dass extrem viele Lebensmittel weggeworfen werden.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron brachte indes erst unlängst ein anderes Thema auf die Agenda. So sprach er sich für einen stärkeren Anbau von Soja in Europa aus. „Eine weitere Abhängigkeit von brasilianischem Sofa würde die Abholzung des Amazonas unterstützen„, so seine Twitter-Mitteilung.
Indes zeigt sich, dass der WWF mit seiner Einschätzung hinsichtlich der europäischen Verantwortung keineswegs alleine auf weiter Flur steht. Etwa ein Fünftel der jährlichen Exporte von Soja und Rindfleisch aus Brasilien in die Europäische Union stehen im Zusammenhang mit illegalen Abholzungen im Amazonasgebiet. Zu diesem Ergebnis kamen die Autoren einer Studie, welche im Jahr 2020 in der US-Fachzeitschrift „Science“ erschien.
Unterschiedliche Faktoren
Juliana Miyazaki von der Gesellschaft für bedrohte Völker konstatiert, dass alleine im August und September zehntausende Brände im Amazonasgebiet gezählt wurden. Brandrodungen seien zwar offiziell verboten, doch die Umweltbehörden seien de facto entmachtet worden, Kontrollen von Polizeibeamte wiederum seien eher die Ausnahme als die Regel. Dies führt vor Augen, dass die Konsum- und Ernährungsgewohnheiten der Importländer mitnichten eine Alleinschuld tragen, wenngleich ein diesbezüglicher Wandel durchaus einen positiven Effekt auf den Regenwald haben könnte.
Bei allen klima- und umweltpolitischen Herausforderungen gibt es auch positives zu vermelden. So zeigen immer mehr Bürger ein großes Interesse an regenerativen Energien und veganer Ernährung. Auch auf dem Börsenparkett wird das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. Kritiker wenden unterdessen ein, dass der Wandel nicht schnell genug erfolgt.