Wissenschaftler der McGill University fanden heraus, dass Gefühle der sozialen Isolation bestimmte Spuren im Gehirn der Betroffenen hinterlassen. In ihrer Studie setzten sie unter anderem auf Künstliche Intelligenz (KI). Unterschiedlichen Erhebungen zufolge sind häufig auftretende Gefühle der Einsamkeit mit einem erhöhten Risiko von neurodegenerativen Erkrankungen verbunden. Dennoch gebe es noch einen großen Forschungsbedarf, so Danilo Bzdok von der McGill University.
Die Wissenschaftler werteten eine Datenbank aus, in welcher Gehirnmerkmale und psychologische Selbsteinschätzungen von 40.000 Erwachsenen zusammengetragen sind. 13,1 Prozent dieser gaben an, sich oft einsam zu fühlen. Mittels Hirnscans und einem auf Künstlicher Intelligenz basierenden Computersystem verglichen die Forscher die neuronalen Strukturen der Menschen.
Dabei fanden sie heraus, dass sich die Einsamkeit in bestimmten neuronalen Merkmalen widerspiegelt. Im sogenannten Ruhestandsnetzwerk weisen häufig einsame Menschen eine überdurchschnittlich ausgeprägte Verdrahtung auf. Zudem weisen diese ein höheres Volumen der grauen Substanz in beteiligten Hirnregionen auf. Auch in der Fornix gebe es strukturelle Besonderheiten.
Kompensation von Mangel an Interaktion
Die Ergebnisse seien plausibel, wie die Forscher betonen. Dass sowohl Struktur als auch Funktion des Ruhezustandsnetzwerks so stark ausgebildet sind, könnte daran liegen, dass jene Menschen häufig ihre Vorstellungskraft nutzen, um sich an soziale Erfahrungen zu erinnern oder sich diese vorzustellen.
„Wir beginnen gerade erst, die Auswirkungen von Einsamkeit auf das Gehirn zu verstehen. Die Erweiterung unseres Wissens in diesem Bereich könnte uns auch dabei helfen, die Dringlichkeit der Verringerung der Einsamkeit in der heutigen Gesellschaft zu verdeutlichen“, so Co-Autor Danilo Bzdok.
Wenngleich es Hinweise darauf gibt, dass ältere Menschen besonders unter den Folgen der Einsamkeit zu leiden haben, sind jüngere Menschen sogar häufiger einsam. Dies geht aus einer Erhebung von „Splendid Resarch“ hervor. Demnach sind 23 Prozent der 18 bis 29-Jährigen häufig oder ständig einsam, bei den 60 bis 69-Jährigen sind es hingegen 11 Prozent. Im Angesicht der Corona-Krise gewann das Thema Einsamkeit noch mehr an Bedeutung.
Veränderung und Folgen der Einsamkeit
Sonja Hörmanseder, Leiterin der Krisenhilfe Österreich, äußert, dass immer mehr Menschen aufgrund ihrer Einsamkeit um Hilfe bitten. Je länger die Pandemie andauere, desto mehr Menschen seien einsam. „Einsamkeit ist so schädlich wie 15 Zigaretten pro Tag oder wie Alkoholmissbrauch“, so Hörmanseder. Unterschiedliche Studien zeigen auf, so ihre Ausführungen, dass Einsamkeit den Anteil des Stresshormons Cortisol im Blut erhöht. Außerdem sei der Blutdruck und Blutzuckerspiegel höher, was zu einer Schwächung des Immunsystems führe. „Es zeigt sich, dass Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit für Krankheiten wie Depressionen, Angsterkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs und Demenz erhöht“.
Menschen, die häufig einsam sind, haben ein etwa doppelt so hohes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Auch auf zahlreiche andere Gesundheitsbereiche wirkt sich der tatsächliche oder wahrgenommene Mangel an sozialen Kontakten aus. Dennoch gibt es hinsichtlich der genauen Wirkmechanismen von Einsamkeit im Gehirn noch einen großen Forschungsbedarf.
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